0541 - Buddhas schreckliche Botschaft
Blatt an.
Dann hob er plötzlich beide Arme. Dirigenten taten dies, bevor sie mit ihrer Arbeit begannen.
Der Russe steckte bis zu den Haarspitzen voller Konzentration.
Und Gigantus begann mit einer Demonstration, wie sie der gute Wladimir noch nie zuvor in seinem Leben erlebt und sie nicht einmal erträumt hatte.
Er kratzte mit der Spitze des rechten Zeigefingers über das Papier.
Das Geräusch hörte sich an, als würde die Unterlage im nächsten Augenblick zerreißen. Das stimmte nicht. Sie hielt, und Gigantus bewegte seinen Finger weiter.
Etwas rotes tropfte aus der Spitze…
Blut oder Farbe? Diese Frage stellte sich der zuschauende Golenkow unwillkürlich und spürte seinen Nacken naß werden. Der kalte Schweiß hatte sich dort gebildet.
Es blieb nicht bei den Tropfen oder Strichen. Gigantus bewegte seine Fingerspitze weiter, und er begann damit, Worte zu schreiben.
Er verband Striche und Linien zu einem Muster, legte Zwischenräume ein, schrieb dann weiter und die Worte oder Sätze sahen aus, als wären sie gemalt worden.
Die erste Zeile schrieb er noch langsam, bei der zweiten hatte er sich eingeschrieben, die einzelnen Buchstaben liefen ihm jetzt schneller von der Hand.
Er sprach auch dabei.
Keine Sätze, aber Laute, leicht singend und wieder mit diesem Heulton unterlegt. In den Augen irrlichterte es. Dort wechselte sich ein Spiel aus Farben ab.
Golenkow stand wie erstarrt, schaute zu und suchte vergeblich nach einer Erklärung.
Das war einfach zu viel, unbegreiflich. Er kam nicht hinter des Rätsels Lösung.
Dieser Gigantus war ein einziges Rätsel.
Er schrieb das Blatt voll, griff aber nicht zu dem nächsten, sondern formulierte Sätze in einer Sprache, die Golenkow noch nie gehört hatte.
Wieder dachte er an die Berichte. Die Wissenschaftler im Camp hatten das gleiche erlebt wie er. Auch sie waren nur mühsam mit dem Geschriebenen zurechtgekommen.
Sollte das tatsächlich eine Botschaft des längst verstorbenen Religionsstifters Buddha gewesen sein?
Der Russe wußte nicht, was er glauben sollte. Dabei dachte er an seine eigenen Erfahrungen, die er mit übersinnlichen und auch unerklärlichen Vorgängen gemacht hatte.
Es waren ja nicht nur die Zombies in Moskau gewesen, er hatte die schwebenden Leichen von Prag erlebt, war gegen einen sibirischen Werwolf angetreten, dessen Blutspur bis nach London führte und Wladimir gemeinsam mit John Sinclair und einem russischen Werwolf Jäger gegen die Bestie gekämpft hatte.
Seine Gedanken wurden unterbrochen, als sich Gigantus wieder ihm zuwandte. Diesmal konkreter, denn er nahm das Blatt Papier mit spitzen Fingern auf und hielt es hoch.
Golenkow nickte. Er wußte nicht, was er sonst noch anderes hätte tun sollen.
»Nun?« fragte Gigantus mit seiner normalen Stimme, als wäre alles nichts Besonderes gewesen.
Wladimir hob die Schultern.
»Du weißt nicht, was es ist?«
»Genau!«
Gigantus lachte. »Ihr Menschen seid dumm, sehr dumm. Anstatt euch mit den Dingen aus der Vergangenheit zu beschäftigen, um von dort aus die Zukunft begreifen zu lernen, ignoriert ihr die Vergangenheit. Ihr habt für alles Spezialisten, aber es gibt keine Talente mehr unter den Menschen, die alles können.«
»Es ist auch zuviel an Wissen geworden…«
»Unsinn, man muß nur früh genug damit anfangen. Ich habe es euch vorgemacht, doch selbst die Spezialisten konnten kaum herausfinden, was ich schrieb. Hier siehst du es!« Er schwenkte das vollgeschriebene Blatt, und seine Silberfinger glänzten dabei.
»Ja, aber was steht in dem Text?«
»Es ist eine Botschaft.«
»Von wem?«
»Von dem, der in mir steckt. Du weißt genau, daß der große Buddha in mir wiedergeboren wurde. Er hat mir diese Botschaft über Raum und Zeit hinweg geschickt, so daß ich in der Lage war, sie mit meiner blutroten Schrift zu Papier zu bringen.«
»Was bedeuten die Zeilen?«
»Sie sind nicht für dich gedacht. Trotzdem will ich dir sagen, daß wir an einem entscheidenden Punkt angelangt sind. Ich habe über meine neue Heimat geschrieben, über das Drachenland…«
Der Russe schüttelte den Kopf. »Noch nie gehört – Drachenland? Wo soll es sein? Auf dieser Welt?«
Gigantus nickte und gab sich amüsiert. »Da sieht man wieder, wie wenig du über deine Erde weißt.«
»Ich kenne kein Drachenland.«
»Es wird aber zu meiner Heimat werden.«
Golenkow begriff. »Soll das heißen, daß du aus dieser Stadt verschwinden willst?«
»Ja.«
»Das kann ich nicht zulassen. Ich habe die
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