0541 - Im Banne des Panikfeldes
..."
Rhodan wurde nachdenklicher. Die Erwähnung Harnos schien seine Phantasie angeregt zu haben.
„Ich sollte mal mit Gucky darüber reden", sagte er.
Atlan begriff sofort, was sein Freund meinte.
„Vielleicht solltest du das", stimmte er zu.
Sie ahnten zu diesem Zeitpunkt noch nicht, daß ihr Vorhaben zu spät kommen würde.
Der Mausbiber hatte die Fäden des künftigen Geschehens bereits selbst in seine Hände genommen ...
Als Gucky am Ende der programmierten Ruheperiode erwachte, die Tag und Nacht ersetzte, kümmerte er sich wie üblich zuerst um Harno. Die etwa tennisballgroße Kugel lag in einem gepolsterten Fach seines Wandschrankes, unbeweglich und von unbeschreiblicher Oberflächenhärte. Es war, als habe die Befreiung aus dem Bann des Hypnokristalls alle seine Widerstandskraft erlöschen lassen und die eintretende Reaktion einen todesähnlichen Starrkrampf hervorgerufen.
Als Gucky die braunschwarze Kugel betrachtete, kam ihm zu Bewußtsein, daß sie alle eine große Chance verpaßten, wenn sie sich mit der Inaktivität von Harno einfach abfanden. Das seltsame Wesen hatte lange Zeit - dieser Begriff war relativ zu bewerten - als Gefangener im Schwarm zugebracht. Ein Jahr, tausend Jahre, vielleicht eine Million Jahre - wer wollte das wissen. Harno wußte es nicht einmal selbst. Aber wenn überhaupt jemand etwas über den Schwarm wußte, dann Harno.
Vorsichtig nahm Gucky die Kugel aus dem Schrank und ging zurück zum Bett, um sich zu setzen. Nachdenklich betrachtete er das unscheinbare Etwas in seiner flachen Hand, das in Wirklichkeit eines der großen Rätsel des Universums war. Und es war sein Freund.
„Harno, was ist nur mit dir? Warum antwortest du nicht, wenn ich dich frage? Du kannst doch nicht tot sein! Ras meint, du hast einen parapsychischen Schock erlitten - vielleicht stimmt das sogar. Aber wenn es so ist, müssen wir ihn doch auch wieder beseitigen können. Wie, Harno? Wie läßt er sich beseitigen?
Kannst du mir nicht wenigstens einen Tip geben? Kannst du mir überhaupt ein Zeichen geben, daß du mich verstanden hast?"
Die Kugel zeigte keinerlei Reaktion.
Aber so schnell gab der Mausbiber nicht auf, wenn er einmal einen Entschluß gefaßt hatte. Und Gucky hatte den festen Entschluß gefaßt, Harno zum Leben zu erwecken und um Unterstützung zu bitten. Und er mußte es allein tun, ohne fremde Hilfe. Schon einmal war es ihm gelungen, über Tausende von Lichtjahren hinweg, sogar über die Grenzen der Zeit hinweg, Kontakt mit dem gefangenen Harno aufzunehmen, aber damals hatten ihm außer den eigenen noch Ribald Corellos starke parapsychische Kräfte zur Verfügung gestanden. Diesmal mußte er es allein schaffen.
Er war davon überzeugt, daß Harno lebte. Er hatte sich nach dem für ihn schockierenden Erlebnis lediglich eingekapselt - temporal eingekapselt wahrscheinlich. Die bräunliche Kugel war nichts als zeitlose Materie, vielleicht nicht einmal mehr Harno selbst.
In den vergangenen Tagen war Gucky ziemlich unbehelligt geblieben. Die MARCO POLO lag vorerst auf Kokon fest, während ihre Beiboote innerhalb des Schwarms operierten. Es kümmerte sich also kaum jemand um ihn, und die meiste Zeit hatte er in seiner Kabine verbracht. Demnach konnte er damit rechnen, auch jetzt nicht gestört zu werden.
Er ging zum Bett und setzte sich. Obwohl Harno ihn allem Anschein nach nicht verstehen konnte, sagte er:"Ich werde mich jetzt hinlegen und entspannen, mein Freund. Ich will versuchen, mein Bewußtsein von meinem Körper zu trennen, so wie ich es schon einmal getan habe. Dann sollte der Kontakt zwischen dir und mir doch möglich sein ..."
Für ihn als Mutanten mit mehreren Fähigkeiten war die Erkenntnis eine Selbstverständlichkeit, daß ein Bewußtsein nur dann in voller Konsequenz denk- und handlungsfähig wurde, wenn es sich von der Materie gelöst hatte. Dann entfaltete es alle seine verborgenen und sonst an den Körper gefesselten Fähigkeiten. Seine Kapazität wurde mehr als verhundertfacht.
Harno lag schwer auf seiner Brust, als er sich weiter zurücklehnte und die Augen schloß, um sich besser konzentrieren zu können. Ein Block verhinderte, daß er von den ständig auf ihn einströmenden Gedankenimpulsen der an Bord der MARCO POLO befindlichen Lebewesen gestört wurde.
Mit großer Intensität leitete er den Vorgang ein, der zur Loslösung des Bewußtseins führen sollte. Er wußte, wie schwierig das unter diesen Umständen war. Ihm standen keinerlei Hilfsmittel zur
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