055 - Der Würger aus dem See
seinen Landsleuten hier im Hochland, denen man ein
wortkarges Verhalten nachsagte, war Dr. Albertson ein recht leutseliger und
gesprächiger Mensch. »Das wird ihm guttun. Der Schock ist nicht so stark, wie
ich anfangs befürchtet habe. Mr. McLotch wird gut über die Runden kommen.«
»Sie kennen den Mann, Doc?« fragte X-RAY-3.
Albertson lächelte.
»Nun, Foyers ist so klein, da kennt jeder jeden. Sie legen Wert
darauf, McLotch noch heute zu sprechen, nicht wahr?«
Der Arzt ließ den Blick schweifen.
»Wenn es geht, ja«, entgegnete wiederum der Amerikaner. »Sollte
dies jedoch eine zusätzliche Belastung für Mr. McLotch darstellen, dann bin ich
gern bereit zu warten. Wir könnten dann morgen über Einzelheiten sprechen.«
»Nun«, fuhr Albertson fort, »in einer halben Stunde können wir es
wagen, denke ich. Und damit es Ihnen in meinem Haus nicht langweilig wird,
fühlen Sie sich als meine Gäste. Kommen Sie bitte mit in meine Privaträume.«
Sie passierten einen Gang. Albertson ging voran. In einem
geschmackvoll eingerichteten Herrenzimmer bot Dr. Albertson seinen drei
Besuchern Platz an. Und er sorgte auch für Getränke. Die Whiskysorten, die er
kredenzte, verrieten den Kenner.
Als Iwan Kunaritschew den ersten Tropfen über die Zunge rollen
ließ, nahm sein Gesicht einen verklärten Ausdruck an. »Donnerwetter«, sagte er
nur. Wenn der Russe sich so äußerte, dann bedeutete das schon viel. Gerade mit
scharfen Sachen kannte er sich aus.
Kunaritschew ließ sich den Drink schmecken.
»Das ist der beste Whisky, der mir jemals durch die Kehle geronnen
ist. Verdammt, Doc, der Tropfen kostet Sie doch ein kleines Vermögen. Und dabei
sagt man immer, die Schotten seien geizig. Ehrlich: Ich würde meinen Gästen
diese Sorte nicht vorsetzen. Einen solchen Tropfen, den tränke' ich ganz allein
- nach des Tages Müh und Last.«
Albertson lachte. »Die Hochländer verstehen einen phantastischen
Whisky zu brennen, in der Tat. Aber an Ihnen scheint ein echter Schotte
verlorengegangen zu sein, Mr. Kunaritschew.«
»Woher kommt eigentlich der sprichwörtliche Geiz der Schotten?«
wollte Morna wissen.
Dr. Albertson zuckte die Achseln. »Wenn man das wüßte! Ich
persönlich kenne nicht einen einzigen Schotten, der geizig ist. Und Sie werden
diese Erfahrung hier im Hochland selbst machen. Die Menschen leben sehr
einfach, zum Teil nur von der Landwirtschaft und vom Fischfang. Die Frauen
helfen mit, indem sie Hirschleder und Holz verarbeiten und daraus nette
Gegenstände in Heimarbeit herstellen. Aber selbst im armseligsten Haushalt wird
man Ihnen einen Tropfen vorsetzen, der dem hier nicht nachsteht... Nun, den
sprichwörtlichen Schottengeiz gibt es eben nur in den berühmten Schottenwitzen.
Und wer die erfunden hat - das weiß kein Mensch.«
»Daß wir Mr. McLotch fanden, ist ein Zufall«, schaltete sich Larry
Brent in das Gespräch ein, nachdem für ein paar Minuten eine Pause eingetreten
war.
»Sie sind Touristen? Ein bißchen früh, das erstaunt mich. Die
Saison beginnt meistens erst im Mai. Von dieser Zeit an besteht die größte
Chance, Nessie zu sehen. Das Ungeheuer liebt die warmen Tage - und manchmal
kommt es in dieser Jahreszeit sogar an den Strand ... «
»Auch Nessie hat sich offenbar diesmal etwas verfrüht, Doc«,
erwiderte Larry. »Es sieht ganz so aus, als ob McLotch mit irgend etwas
gekämpft hat, das bei unserer Ankunft sofort im Wasser verschwunden ist.«
Dr. Albertson blickte seine drei Gäste der Reihe nach ernst an.
»Was Sie da sagen, hört sich für einen Außenstehenden vielleicht merkwürdig an.
Aber es ist keineswegs ausgeschlossen. Nur alle derartigen Fälle sind bisher
anders verlaufen. Wenn jemand mit Nessie einen direkten Zusammenstoß hatte,,
dann kehrte dieser Jemand grundsätzlich nicht zurück. Nessie und der
rätselhafte See behielten das Geheimnis stets für sich.«
»Dann sind wir diesmal offenbar in einer besonders glücklichen
Lage«, fuhr X-RAY-3 fort. »Wir kamen gerade noch zur rechten Zeit und entrissen
McLotch dem sicheren Tod.«
»So sieht es in der Tat aus«, murmelte Albertson. »Ich bin nur
gespannt, was McLotch uns zu erzählen haben wird.«
»In der Zwischenzeit könnten Sie uns vielleicht etwas über das
Ungeheuer im Loch Ness berichten«, schlug Brent vor. Mit einem Seitenblick
stellte er fest, daß der trinkfreudige Russe von dem Gespräch nicht sehr viel
mitbekam. Kunaritschew begutachtete inzwischen die zweite Whiskysorte, die Dr.
Albertson gewissermaßen
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