055 - Louba der Spieler
liegt.«
Trainor konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen.
»In diesem Punkt kann ich Sie völlig beruhigen«, sagte er. »Es gibt kein Hospital, in dem ich nicht schon nachgefragt habe.«
»Vielleicht hat ihn irgendein Verbrecher erwischt«, meinte nun die ängstliche Haushälterin.
»Auch das glaube ich eigentlich nicht«, entgegnete der Inspektor.
Er nahm ein Auto und fuhr wieder nach der Devonshire Street. Dort mußte er geraume Zeit im Wartezimmer des Doktors sitzen, denn Dr. Warden untersuchte gerade einen Patienten. Als er ihn endlich sprechen konnte, war seine erste Frage: »Haben Sie etwas von Hurley Brown gehört, Inspektor?«
»Ich bin allmählich selbst schon ganz nervös«, erwiderte Trainor. »Der Chef hat auch schon nach ihm gefragt, aber alles, was wir wissen, läuft darauf hinaus, daß er die Nacht über nicht in seiner Wohnung war.«
»Was halten Sie davon?« fragte Warden.
»Meine Ansicht ist, daß wir ihn so schnell nicht wiedersehen werden.«
Warden blieb stumm. Er stand am Tisch und spielte gedankenverloren mit einem silbernen Brieföffner. Anscheinend war er völlig mit dem Problem des Verschwindens von Hurley Brown beschäftigt.
»Wir sprechen doch im Vertrauen miteinander«, sagte er endlich. »Würden Sie es als vertraulich behandeln, was ich Ihnen erzähle? Ich verspreche Ihnen, daß ich auch nichts von dem, was Sie mir mitteilen, weitersage. Sind Sie damit einverstanden?«
»Sogar sehr gerne«, sagte Trainor. »Ich bin mit Captain Brown immer gut ausgekommen. Er hat mir Chancen verschafft, wie ich sie sonst nie gehabt hätte. Tatsächlich hat er mich in Gott weiß wieviel Fällen unterstützt und hat hinter mir gestanden. Einmal, als mir etwas ganz furchtbar danebengeriet, war er der Mann, der mich aus der dicken Tinte herausholte. Ich gebe zu, daß ich mich trotzdem einoder zweimal in der letzten Zeit über ihn geärgert habe, aber jedesmal schämte ich mich nachher vor mir selber. In Wirklichkeit gibt es fast nichts auf der Welt, was ich nicht für ihn tun würde.«
»Ich glaube Ihnen gerne«, sagte der Doktor. »Und jetzt will auch ich Sie ins Vertrauen ziehen, Inspektor. Ich glaube, Ihr Zweifel ist nur zu berechtigt. London wird Hurley Brown nie wieder sehen. Aber fragen Sie mich bitte nicht, warum ich zu diesem Schluß gekommen bin. Ich halte es für besser, wenn man seine Vermutungen nicht immer gar zu genau begründet.«
Er nahm seine Pfeife vom Tisch, stopfte sie geistesabwesend und zündete sie ebenso mechanisch an, während er weitersprach.
»Haben Sie die Frau entdeckt?« fragte er.
»Wenn wir die Frau finden, Doktor, dann finden wir auch Hurley Brown — das ist meine Ansicht«, sagte der Detektiv.
Der Doktor schmauchte langsam und nachdenklich.
»Vielleicht haben Sie recht«, murmelte er. »Auch das ist natürlich vertraulich. Setzen Sie sich doch, Inspektor.«
Er begann im Zimmer auf und ab zu gehen. Die Hände in den Taschen, die kurze Stummelpfeife zwischen die Zähne geklemmt. Sein sonst so gleichmütiges Gesicht hatte einen gequälten Ausdruck.
»Ich möchte, daß Sie von Hurley Brown nur das Beste denken«, meinte er dann. »Denn er ist ein Mann, für den ich wirkliche Zuneigung empfinde. Er hat in seinem Leben sehr viel Sorgen gehabt, und er hätte sie mit einer Frau teilen können, wenn er nicht einen so ausgeprägten Sinn für Anständigkeit und Ehrenhaftigkeit besessen hätte. Ich sage, hätte teilen können. Das heißt, soweit Sorgen überhaupt eine Substanz besitzen, die teilbar ist.«
»Kennen Sie ihn eigentlich schon lange, Doktor?«
»Lange Jahre«, entgegnete Dr. Warden. »Ich kenne ihn schon seit seiner Jugendzeit.« Er murmelte vor sich hin: »Der beste Kerl, der je gelebt hat ...« Dann wandte er sich wieder an Trainor: »Seine Lebensgeschichte kann ich Ihnen nicht erzählen — manche Abschnitte daraus werden wohl niemals bekanntwerden. Ganz bestimmt weiß ich aber, daß Hurley Brown niemals in seinem Leben etwas Unehrenhaftes begangen hat. Ich spreche jetzt genauso, als ob er schon tot wäre! Und dabei weiß ich, daß er es nicht ist. Denken Sie immer daran, Inspektor, daß Hurley Brown einer unehrenhaften Tat in keiner Weise fähig ist.«
»Würden Sie das - Töten eines Mannes eine unehrenhafte Tat nennen?« fragte Trainor.
Der Doktor wurde rot im Gesicht.
»Ich höre Sie das nicht gerne sagen. Soweit ich ihn kenne - und ich kenne ihn besser als jeder andere lebende Mensch -, hat er niemals jemandem nach dem Leben
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