0550 - Merlins Stern
teilweise, um sich mit ihrer Hilfe das sechste weiter zu unterwerfen, aber auch für Dinge, die er früher für völlig unsinnig gehalten hätte.
Um seine eigentlichen Aufgaben kümmerte sich der Herr der Hölle immer weniger.
Natürlich fiel das den anderen Dämonen auf. Tage und Wochen menschlicher Zeitrechnung vergingen, aber Lucifuge Rofocale bemerkte es nicht. Er befaßte sich nur noch mit seinen Amuletten und vergaß darüber die Zeit.
Andere vergaßen nicht.
Sie begannen nachdenklich zu werden. Irgendwann erklärte Stygia, die Fürstin der Finsternis, Lucifuge Rofocale sei dabei, den Verstand zu verlieren. Oder es sei bereits um ihn geschehen.
Was aber sollte daraus werden?
Warum griff LUZIFER nicht ein, der Höllenkaiser? Warum sah er nur zu und duldete die Veränderung seines Ministerpräsidenten? Vertraute er darauf, daß diese Krise von selbst vorüberging, oder rechnete er damit, daß seine Untertanen die Angelegenheit in die eigenen Klauen nahmen?
»Hin und wieder«, raunte der Vampirdämon Sarkana, »frage ich mich ernsthaft, ob Kaiser LUZIFER überhaupt noch existiert…«
Lucifuge Rofocale ahnte nichts von den ketzerischen Überlegungen der anderen. Und sie hätten ihn auch nicht im mindesten interessiert. Für ihn war nur wichtig, den letzten Widerstand des sechsten Amuletts zu brechen und dann mit ihm gegen das siebte anzutreten.
Und irgendwann - war es soweit…
***
»Was…« murmelte Teri Rheken leicht verstört. »Was hast du - getan?«
»Dir fehlt doch nicht vielleicht etwas?« fragte Julian.
Er lächelte die Druidin an.
Jetzt, da sie es hinter sich hatte, wirkte sie auf ihn schöner als je zuvor, Die leichte Erschöpfung, die Müdigkeit, gaben ihrem Gesicht einen träumerischen Ausdruck.
Sie war verwirrt.
»Doch«, sagte sie leise. »Etwas fehlt. Es ist anders… Ssacah…«
»Er fehlt dir tatsächlich ?«
Sie sprang auf. »Du hast…?«
»Ich habe dich vom Ssacah-Keim befreit«, bestätigte er. »Du bist wieder du selbst, du unterliegst keiner fremden Kontrolle mehr. Ich nehme allerdings an, daß das Ssacah nicht unbedingt gefallen wird.«
»Ssacah…« murmelte sie gedankenverloren.
Sie schritt wieder durch das Zimmer, diesmal ohne zu ahnen, wie aufreizend sie mit ihren Bewegungen wirkte. Sie hing ihren Überlegungen nach.
»Du hast mich befreit«, sagte sie schließlich. »Aber ich habe dich nicht darum gebeten.«
»Ärgert es dich?«
Sie schüttelte langsam den Kopf, strich sich durch das lange goldende Haar. »Ich fühle mich… leichter. Etwas Dunkles ist fort, und nun denke ich anders als noch vor Stunden.«
»Als vor einem Tag«, berichtigte Julian. »Dir fehlt noch mehr. Du hast Hunger. Du wirst eine Menge essen müssen, wenn du nicht vom Fleisch fallen willst - hübsches Fleisch, wie ich zugeben muß.«
Sie sah ihn an. »Vorher willst du mit mir ins Bett.«
»Nein. Nicht vorher und nicht hinterher. Du bist nicht Angelique.«
»Aber - warum hast du es dann getan?«
»Es reicht mir, zu wissen, daß ich erfolgreich war.«
»Eines Tages wirst du kommen und meinen Dank einfordern«, sagte sie.
»Eines Tages werde ich vielleicht kommen und dich um Hilfe bitten. Aber nicht, weil ich den Ssacah-Keim aus dir gelöscht habe, sondern weil du mir dann vielleicht einfach helfen kannst. Vielleicht werde ich aber auch nie kommen. Ich will keinen Dank, ich habe es getan, und es ist erledigt. Du schuldest mir nichts, nicht jetzt und nicht in ferner Zukunft. Warum müßt ihr alle immer den Nutzen und die Kosten gegeneinander aufrechnen? Seid ihr es nicht gewohnt, zu schenken, ohne zu fordern? Muß immer alles auf - und gegengerechnet werden?«
Teri schwieg.
»Erhole dich, regeneriere deine Kraft. Freue dich deines Lebens, dann freue ich mich auch. Vielleicht lerne ich selbst dann auch wieder zu lachen. Wenn ich sehe, daß nicht alles umsonst ist. - Die Vorratskammer ist gefüllt, bedienst du dich selbst, oder soll ich dir dein Essen zubereiten?«
Sie atmete tief durch. »Ich werde schon zurechtkommen. Du hast genug getan, ich will nicht noch tiefer in deine Schuld geraten… dadurch, daß ich mich auch noch deinen Kochkünsten anvertraue«, sagte sie mit leiser Ironie.
»Kochkünste?« Er lachte. »Es gibt Brot, Wein, Trockenfleisch und Yak-Butter. Dies ist eine Hütte im tibetischen Hochland, kein Nobel-Restaurant in Neu-Delhi.«
Die nackte Druidin runzelte die Stirn. »Kein Gemüse?«
»Ich bin kein Kaninchen. Und ich mag den armen Tieren auch nicht das Grünzeug
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