0556 - Milenas Opferstätte
viel für mich tun, John, sehr viel… Bis bald …«
Ich hatte die Worte vor mich hingemurmelt und wußte nicht, was ich von der Nachricht halten sollte. Wollte mich da jemand auf den Arm nehmen? Ich drehte den Brief herum. Es geschah mehr zufällig.
Die Schrift auf der Rückseite war blasser, trotzdem zu entziffern.
»Wenn ich Dir noch etwas bedeute, John, dann laß bitte drei Tropfen Blut in die Urne fallen. Bist du so gut?«
Nun verstand ich gar nichts mehr. Das heißt, ich wollte es nicht verstehen. Im Hintergrund meines Hirns allerdings breitete sich ein gewisser Verdacht aus.
Blut zu Asche, das roch nach Magie, das roch nach Vampir. Konnte, mußte aber nicht sein. Möglicherweise hatte sich auch jemand einen Scherz mit mir erlaubt.
Ich würde der Sache trotzdem nachgehen. Das Paket schaute ich mir noch einmal genauer an. Es war in London aufgegeben worden.
Die Spur zurückzuverfolgen hatte also keinen Sinn.
Der Portier kam wieder. »Ist Ihnen nicht kalt, Mr. Sinclair?«
»Einigermaßen. Sie können mir trotzdem einen Gefallen tun.«
»Fast jeden.«
»Nehmen Sie das Paket mit.«
»Und die Urne?«
»Die schnappe ich mir.«
Gemeinsam gingen wir ins Haus, wo ich mich in seiner Loge setzte und telefonierte.
Ich rief Bill Conolly an und hoffte, daß er schon auf den Beinen war. Er mußte am Schreibtisch gesessen haben, seine Stimme klang frisch und munter.
»John hier. Du bist schon wach?«
»Ha, was denkst du denn? Ich arbeite.«
»Kannst du deine Arbeit auch unterbrechen?«
»Kommt darauf an.«
»Ich wollte dich ins Büro einladen, Bill.«
Jetzt war erst einmal Pause. »Und was soll ich da?«
»Das erzähle ich dir, wenn du eingetroffen bist.«
»Okay, ich komme. Den Bericht kann ich schieben. Ich bin wieder dabei, übersinnlichen Phänomenen nachzugehen. Ich kann dir sagen, John, auf der Welt gibt es noch so viele Rätsel, daß wir sie alle nicht lösen können. Da müßten wir schon zehnmal so alt werden.«
»Wenn du bei uns bist, kommt noch ein Rätsel hinzu.«
Ich hörte ihn scharf atmen. »Du machst mich neugierig.«
»Bis bald.«
Der Portier stand in der Tür. Er mußte wohl mitgehört haben.
»Wollen Sie die Urne nicht bei sich in der Wohnung lassen, Sir?«
»Nein«, sagte ich. »Oder hätten Sie gern eine mit Asche gefüllte Urne in Ihrem Wohnzimmer stehen.«
»Gott behüte, ich doch nicht.«
»Wer dann?«
»Mein Weib hat mir mal gesagt, daß sie mich, wenn ich vor ihr sterbe, verbrennen läßt.«
»Aha – und weiter?«
»Dann will Sie meine Asche in die Eieruhr stecken. So hätte ich wenigstens noch als Toter meine Aufgabe.«
»Sehr schwarz der Humor Ihrer Frau.« Ich verzog die Lippen zu einem säuerlichen Grinsen.
»Das sage ich auch immer. Was wollen Sie machen? Ihr Vater war Leichenwäscher.«
Ich klemmte mir die Urne unter den Arm. »So einen Schwiegervater habe ich mir auch immer gewünscht.«
Er hob die Schultern und ließ mich vorbei. Ich fuhr in die Tiefgarage und stellte die Urne zwischen die beiden Sitzbänke, wo sie nicht umfallen konnte.
»Drei Tropfen Blut«, flüsterte ich. Was konnte diese Nachricht nur zu bedeuten haben…?
***
Im Büro staunten Suko und Glenda nicht schlecht, als ich mit der Urne ankam und sie auf meinen Schreibtisch stellte. Glenda verfolgte den gleichen Gedanken wie ich. »Soll das vielleicht eine Blumenvase sein, John? Wenn ja, dann gefällt sie mir überhaupt nicht. Sie ist einfach zu trist. Ich liebe farbige Vasen.«
»Nein, das ist eine Urne.«
»Was?« Glenda zuckte zurück. »Jetzt sag nur noch, daß sie auch gefüllt ist.«
»Genau, und zwar mit Asche.«
»Wie schön«, bemerkte Suko. »Dann ist das also die Überraschung, auf die du so gewartet hast.«
»Und wessen Asche ist darin?«
Ich bat erst um einen Kaffee. Glenda holte ihn. Sie war an diesem Tag dick angezogen. Der schwarze Pullover besaß sogar einen Rollkragen. In ihrem Haar steckte eine weiß und silberig schimmernde Spange.
»Ich verstehe nicht, was das soll«, sagte Suko. »Laß mal eine Erklärung hören.«
»Warte, bis Bill hier ist.«
Suko wunderte sich noch mehr. »Der kommt auch?«
»Ja, ich rief ihn an.«
»Weshalb denn?«
Ich deutete auf die Urne. »Der Inhalt scheint uns beide zu betreffen. Ich habe dir doch davon erzählt, daß er mit meiner Vergangenheit zu tun hat. Nur soviel, es geht um ein Mädchen, das Bill Conolly damals auch gekannt hat.«
»Wie heißt die Kleine?«
Als ich die Antwort gab, kam Glenda mit dem Kaffee ins
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