0556 - Odem des Bösen
nach ihm, aber es half ihr nichts. Die kräftigen Schläge seiner Schwingen hoben Wokat in die Luft. Er lachte meckernd und hämisch.
»Jetzt stirbst du«, schrie er.
Und sein riesiges, kantiges Maul mit den langen, mörderischen Zähnen schnappte nach Byanca, um sie zu zerreißen.
***
Niemand sah das furchtbare Schauspiel außer den drei Priestern, die Byanca nach oben auf die Plattform gebracht hatten. Wokat war nur für die direkt Beteiligten sichtbar geworden.
Er war klug gewesen, sich nicht den Menschen Sestempes zu zeigen!
Denn noch war der andere Teil seines Planes nicht gelungen. Noch war Vitana nicht erschienen, und wenn Wokat sich als das Ungeheuer zeigte, das er war, mochte die kreischende und schreiende Masse die Göttin warnen.
So blieb er für sie alle im Schutz der Unsichtbarkeit.
Und machte sich daran, die Todfeindin des ORTHOS zu vernichten.
Endgültig!
***
Nicole Duval erwachte aus ihrer Betäubung, und ihr Erinnerungsvermögen setzte sofort wieder ein.
Cantho, Sohn des Taigor, hatte sie mit einem Dhyarra-Kristall ausgeschaltet. Vorher hatte er ihr angedroht, daß er sie töten würde.
Und von seinem Folterkeller hatte er auch gesprochen!
Cantho, der liebende Bräutigam… Ob seine zukünftige Frau ahnte, daß dieser Mann ein verräterisches Doppelspiel trieb Daß er einen Dhyarra-Kristall besaß, war nicht ungewöhnlich. Nicht nur Tempel-Diener, vom Adepten bis zum Hohenpriester, besaßen und benutzten diese Sternensteine, die in ihren verschiedenen Ordnungen nach ihrer Stärke unterteilt waren. Wer über ein entsprechendes Para-Potential verfügte, konnte einen Dhyarra bedienen und tat es meist auch. Sofern er irgendwie in seinen Besitz gelangte. Fliegende Teppiche wurden von Dhyarras in der Luft gehalten, Schiffe mit ihnen gegen den Wind und gegen die Strömung getrieben…
Schlimmer war, daß Nicole in Canthos Zimmer ein Sigill des ORTHOS-Gottes Wokat gefunden hatte. Bereitwillig hatte Cantho ihr erklärt, daß Wokat der Gott des Verrats war. Also war Cantho in diesem Verräterspiel ein Verbündeter der Dunkelmächte!
Aber was hatte er vor? Er konnte doch nicht ernsthaft planen, die finsteren Schergen des ORTHOS zu seiner Hochzeit zu rufen!
Sollte Wokat etwa das Brautpaar segnen?
Unvorstellbar!
Oder hatte es etwas mit dem geplanten magischen Attentat auf die Lebensgöttin Vitana zu tun?
Noch unvorstellbarer, denn warum sollte Cantho dabei sich und seine junge Frau in Gefahr bringen?
Nicole konnte nicht glauben, daß er selbst diesen Plan entwickelt hatte. Es mußte noch etwas anderes dahinterstecken.
Aber es sah momentan nicht so aus, als bekäme Nicole eine Chance, das herauszufinden. Ihre Handlungsfreiheit war drastisch eingeschränkt. Man hatte sie mit Eisenketten an die Wand gefesselt. Sie befand sich in Gesellschaft zweier bewaffneter Aufpasser und eines halben Dutzends weiterer Gefangener, die ebenfalls einem recht traurigen Schicksal entgegensahen.
Einer von ihnen war der arme Teufel von Wächter, den Nicole am Tor ausgetrickst hatte, um ins Innere des Palastes zu gelangen. Er warf ihr anklagende, böse Blicke zu. Durchaus verständlich, immerhin war sie es, die ihn in diese Lage gebracht hatte. Wäre er nicht auf ihren Trick hereingefallen, und hätte sie sich später nicht von Cantho überraschen lassen…
Die anderen Gefangenen befanden sich offensichtlich bereits einige Zeit länger hier. Sie waren ausgemergelt, sahen regelrecht krank aus, und ihre Körper wiesen zahlreiche sowohl vernarbte wie auch frische Wunden auf. Die Folterinstrumente, die den großen Kerkerraum möblierten, schienen sich reger Benutzung zu erfreuen…
Was wiederum Nicole absolut nicht erfreute, eingedenk der entsprechenden Bemerkungen ihres speziellen Freundes und Überwinders Cantho. Diesen Andeutungen zufolge hatte sie damit zu rechnen, schon bald nähere Bekanntschaft mit eben diesen Instrumenten zu schließen.
Aber sie hoffte, daß es dazu nicht kommen würde. Falls Zamorra ebenfalls erfolglos blieb, würde ohnehin bald alles vorbeisein. Andernfalls würde Zamorra - oder auch Merlin - sie hier herausholen.
Und auch sie selbst würde nichts unversucht lassen, diesem Grauen hier zu entkommen.
Wieviel Zeit inzwischen vergangen war, wußte sie nicht. In diesem Kerker gab es kein Fenster, so daß sie am Tageslicht hätte abschätzen können wie spät es mittlerweise war.
Aber viel Zeit blieb sicher nicht mehr.
Also versuchte sie den Plan in die Tat umzusetzen, der ihr plötzlich
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