056 - Die Rache der Mumie
Zimmer.
»Miss Howard ist gekommen!«
»Herein mit ihr!« Skilton grinste.
Skilton hatte zwei Schwächen. Er liebte seine Kerzenständer über alles, doch sein Verlangen nach jungen Frauen war um nichts schwächer. Oft hatte er sich gefragt, was er wohl mehr liebte. Vor die Wahl gestellt, seine Leuchter oder die Frauen aufzugeben, hätte er sich nicht entscheiden können.
Silvia Howard tänzelte ins Zimmer. Sie war eine achtzehnjährige Blondine, die um die Wirkung ihrer Rundungen wusste. Das dunkelblaue, hautenge Kleid bot offenherzige Einblicke.
»Hallo, Silvia!«, sagte Skilton. »Du siehst traumhaft aus.«
Sie lächelte flüchtig, blieb vor Skilton stehen, stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn sanft auf die Lippen. Als er nach ihr greifen wollte, trat sie rasch einen Schritt zur Seite und hob abwehrend die Hände.
»Nicht so hastig, Charles!«, sagte sie und musterte den hübsch gedeckten Tisch. Der Kerzenleuchter war ihrer Meinung nach völlig unpassend, da er zum schweren Silberbesteck nicht passte, doch sie kannte Skilton seit einigen Monaten; und sie war eine kluge junge Frau, die genau wusste, wie man einen solchen Mann behandeln musste.
Ihr Gesicht nahm einen verzückten Ausdruck an.
»Dieser Kerzenständer ist einfach toll«, sagte sie und heuchelte Begeisterung.
»Ein herrliches Stück«, bestätigte Skilton.
Seine Stimme troff vor Zufriedenheit. Besitzergreifend legte er seinen rechten Arm um Silvias Hüften.
»Ich kann mich gar nicht satt daran sehen«, log Silvia.
»Setz dich, Mädchen!«, brummte Skilton, und Silvia gehorchte. »Einen Drink?«
»Gern.«
Skilton strahlte. Er freute sich auf das Abendessen – und auf das danach. Es würde ein perfekter Abend und eine zauberhafte Nacht werden.
Er drehte sich um und ging zur Tür. Ein lauter Schrei war zu hören; überrascht blieb er stehen.
»Was war das?«, fragte Silvia aufgeregt.
Wieder war ein Schrei zu hören, schrill und durchdringend.
»Ich sehe nach«, sagte Skilton rasch.
Bevor er noch die Tür erreicht hatte, wurde sie aufgerissen, und eine unheimliche Gestalt sprang ins Zimmer. Skilton erstarrte vor Grauen.
Silvia Howard richtete sich auf, dann fiel sie auf den Sessel zurück und presste beide Hände vor den Mund. Ihre Pupillen weiteten sich. Langsam öffnete sich ihr Mund. Sie wollte schreien, doch kein Laut kam über ihre Lippen.
Der Körper der unheimlichen Gestalt war bandagiert. Über den Augen waren die Binden verrutscht.
»Ich bin Nefer-Amun«, sagte die Mumie. »Ich hole das, was mir gehört.«
Sie zeigte auf den Leuchter.
Charles Skilton erwachte aus seiner Erstarrung. Ohne zu zögern, riss er seine Pistole hervor, entsicherte sie und richtete sie auf die Mumie. »Stehen bleiben!«
Doch die Mumie hörte nicht auf ihn. Sie ging langsam weiter und hielt erst unmittelbar vor ihm inne. Sie hob langsam die bandagierten Arme und griff nach Skiltons Hals.
Der zögerte nicht länger und drückte ab. Die Kugel bohrte sich in die Brust des Untoten, konnte ihn aber nicht verletzen. Der Schuss hallte von den Wänden wider. Skilton schoss noch mal, dann packten ihn die kräftigen Hände der Mumie. Eine eisige Kälte strömte auf ihn über. Er konnte sich nicht mehr bewegen, die Pistole fiel aus seinen Händen.
Die harten Finger verkrallten sich in seinen Schultern. Der bandagierte Kopf näherte sich seinem Hals. Die Augen der Mumie glänzten wie Edelsteine. Ein Teil der Binden verschob sich. Ein eingetrockneter Mund wurde sichtbar, dann scharfe Zähne.
Silvia Howard sprang auf. Dabei fiel der Stuhl um. Ihre Augen waren vor Grauen weit aufgerissen. Sie wollte den Kopf abwenden, die Augen schließen, wollte das Fürchterliche nicht sehen, doch sie konnte nicht anders. Sie sah zu, wie die Mumie Charles Skilton in die Kehle biss und ihm das Blut aussaugte.
Es dauerte nur wenige Sekunden, dann ließ die Mumie von ihrem Opfer ab und schleuderte den leblosen Körper zu Boden.
Von irgendwo war eine Polizeisirene zu hören, doch die Mumie achtete nicht darauf. Sie stieg über den Toten und ging langsam auf den Tisch zu.
»Nicht!«, schrie Silvia Howard. »Bitte, nicht!«
Die Mumie blieb vor dem Tisch stehen. Sie schenkte Silvia keine Beachtung. Wütend warf sie die Kerzen um. Zwei kullerten über das Tischtuch, gingen aus und fielen zu Boden. Die dritte brannte weiter. Die Tuchdecke fing zu glosen an.
Nefer-Amun griff nach dem Leuchter und hob ihn hoch.
Silvia wankte einen Schritt zurück und torkelte gegen
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