056 - Metropole der Angst
mitgekriegt. Er bekam schon lange nichts mehr von all dem mit, was um ihn herum passierte. Er wußte nicht einmal, daß Oda, seine Freundin, nicht mehr lebte. Und bald würde überhaupt nichts mehr auf dieser Welt für ihn wichtig sein. Der Tod warf seine ersten Schatten auf das Gesicht meines Freundes.
Er starb jeden Tag ein bißchen mehr.
Arma wollte das Warten auf Lances Ende abkürzen.
Hatte es einen Sinn, sich darüber zu freuen, daß es ihr nicht gelungen war?
Ich wandte mich an den weißen Vampir. »Boram.«
»Ja, Herr?«
»So etwas darf sich nicht wiederholen. Du bist ab sofort für die Sicherheit dieses Mannes verantwortlich. Solange Lance Selby lebt, bleibst du in diesem Zimmer, es sei denn, ich erteile dir einen anderen Befehl. Hast du mich verstanden?«
»Ja, Herr«, sagte der Nessel-Vampir, und ich konnte sicher sein, daß er meinen Befehl gewissenhaft befolgte.
Ich ging zur Tür.
»Hast du noch Hoffnung für ihn, Herr?« fragte Boram.
Ich schüttelte langsam den Kopf. »Nein, Boram. Meinen Freund kann nur noch ein Wunder retten, aber wer sollte es tun? Wir können nur noch dafür sorgen, daß er in Ruhe sterben kann.«
Bei diesen Worten schnürte es mir die Kehle zu, und ich hätte am liebsten mit der Faust gegen die Wand gedroschen.
Ich verließ den Raum und schloß hinter mir die Tür.
Roxane war nicht im Living-room, als ich eintrat. Ich fragte nach ihr. Vicky sagte, die Hexe aus dem Jenseits hätte sich in ihr Zimmer eingeschlossen.
Roxane wollte niemanden sehen. Ich konnte mir vorstellen, daß sie verzweifelt war. Sie, die Hexe, die vor langer Zeit dem Bösen abgeschworen hatte, hatte das Böse in sich und mußte es ständig bewachen und bekämpfen, denn sowie sie nicht aufpaßte, übernahm Arma die Führung, und wozu es dann kommen konnte, Hatten wir soeben erlebt.
»So kann es mit Roxane nicht weitergehen, Silver«, sagte ich zu dem Ex-Dämon.
Er zog die silbernen Augenbrauen zusammen. »Das ist mir ebenso klar wie dir, Tony, aber ich weiß mir keinen Rat.«
»Herrgott noch mal, es muß doch eine Möglichkeit geben, die Wirkung des Höllennektars rückgängig zu machen.«
»Es gibt mit Sicherheit mehrere Möglichkeiten. Denk an Moorghas Zahn. Er machte ungeschehen, was geschehen war, dadurch wurdest du wieder der Mann, der du warst, bevor dich das Feuerwasser in Yarrambools Reich vergiftete. Mit Sicherheit gibt es auch einige Zauberkräuter, mit deren Hilfe man die Wirkung des Höllennektars aufheben könnte, aber sosehr ich mein Gedächtnis auch durchforsche, ich finde keine Lösung für dieses Problem.«
»Boram bleibt bis auf weiteres bei Lance, damit Arma unserem Freund nicht noch einmal gefährlich werden kann, aber das ist keine Dauerlösung. Außerdem könnte sich Arma auch mal an Vicky vergreifen.«
Der Ex-Dämon gab sich einen Rück. »Ich werde versuchen, dem einen Riegel vorzuschieben.«
»Wie willst du das tun?«
Mr. Silver gab mir darauf keine Antwort. Er verließ das Zimmer, und ich warf meiner Freundin einen nervösen Blick zu.
»Was kann er vorhaben?«
Vicky Bonney zuckte mit den Schultern.
Ich folgte dem Ex-Dämon, der sich ins Obergeschoß begab und an Roxanes Tür klopfte. Mir fiel auf, daß sich seine Haut mit einem silbrigen Flirren überzog.
Das passierte zumeist dann, wenn er sehr erregt war - oder wenn die Magie, die in ihm steckte, sichtbar wurde.
»Roxane! Ich bin es, Silver! Mach auf!«
»Laß mich bitte in Ruhe!« gab die Hexe aus dem Jenseits zurück. Ihre Stimme klang so, als hätte sie geweint.
»Laß mich rein!« verlangte der Hüne energisch.
Ich wußte, was passieren würde, wenn Roxane nicht öffnete. Der Ex-Dämon würde das Schloß mit Magie knacken.
Einen Augenblick passierte nichts, dann wurde drinnen der Schlüssel im Schloß herumgedreht, und als Roxane die Tür öffnete, passierte etwas, womit weder sie noch ich gerechnet hatte.
Feuerlanzen rasten aus Mr. Silvers Augen!
War er wahnsinnig? Er konnte doch Roxane nicht töten!
***
Metal schlug die Augen auf, und er merkte sofort, daß es ihm besser ging. Er tastete nach seiner Schulter, bewegte sie vorsichtig und spürte keinen Widerstand mehr.
Mago mußte die magisch vergiftete Speerspitze aus seinem Fleisch gezogen haben. Das bedeutete, daß kein weiteres Gift in seine Blutbahn gelangen konnte.
Aber entgiftet war sein Körper noch nicht, das erkannte er, als er sich aufsetzte.
Matt und elend fühlte er sich immer noch. Das Entfernen der Speerspitze war ein erster
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