057 - Die Tochter des Werwolfs
Stadt heran, Weggräben und ein Bach boten ihm Deckung.
Seine menschlichen Erinnerungen würden ausreichen, das Straßenschild lesen zu können. Die Hausnummer wusste er, oder er würde den Unterschlupf des Artgenossen wittern.
Misstrauisch äugte er umher, dann trottete er durch den Tannenwald, den Berghang hinab. Er lief ein Stück über freies Feld, mit großen Sprüngen überwand er die Distanz. Seine Fährte blieb im frischen Schnee zurück. Am Rande des Baches erreichte er den Außenbezirk des Taunusstädtchens.
Gerade wollte er umherspähen, da hörte er Schreie und Schüsse.
Eine Stimme schrie: »Ein Werwolf, ein Werwolf! Da ist die Bestie!«
Trevor Sullivan und Gisela Sommer schauten aus dem Fenster, als der rote Ford vorfuhr. Ein großer Mann und eine schöne Frau mit einer eleganten Jacke stiegen aus.
»Das ist Dorian Hunter«, sagte Sullivan. »Der Dämonenkiller. Die Frau ist Coco Zamis.«
Gisela Sommer schluckte, als Hunter auf das Gartentor zukam. Er sah so groß und selbstsicher aus, düster und fast dämonisch mit seinem Oberlippenbart. Plötzlich wusste Gisela Sommer, dass er ihren Mann töten würde. Trevor Sullivan hatte ihr in der Nacht genug von den Taten des Dämonenkillers erzählt. Was war auch anders zu erwarten von dem, den sie den Dämonenkiller nannten?
Gisela Sommers Nerven gaben nach, zu viel war in der letzten Zeit auf sie eingestürmt, und in der Nacht hatte sie keine Minute geschlafen. Während Trevor Sullivan die Haustür aufschloss, die wegen des Henicke-Werwolfs verrammelt war, ging Gisela unbemerkt in den Keller.
Bernd Sommer lag angekettet in menschlicher Gestalt nackt auf einem Bündel Streu und schlief. Er erwachte, als Gisela hereinkam. Seine Augen glühten diabolisch, er knurrte leise. Gisela drehte die Nummernkombination des alten, schweren Safes in der Ecke.
Sie öffnete die Tür, nahm den Schlüssel zu den Ketten hervor und näherte sich dem Wolfsmann.
Beruhigend redete sie auf ihn ein.
»Tu mir nichts, Bernd! Ich will nur dein Bestes. Oben kommt einer, der dich umbringen will, mit einer Silberkugel oder einem silbernen Messer. Du musst schleunigst fliehen, verstehst du mich?«
Der Mann winselte leise.
»Wirst du mich auch nicht zerreißen?«, fragte Gisela.
Sie schloss seine Ketten auf, und er beobachtete sie mit glühendem Blick. Klirrend fielen die Ketten von ihm ab.
Dann aber heulte er auf, bellte rau und triumphierend. Blitzschnell ging die Verwandlung zur Werwolfskreatur vor sich. Schwarz behaart, ein muskelstrotzendes Monster mit Wolfsrachen, Klauen und Glutaugen, stand er vor der zitternden Frau, von keiner Kette zurückgehalten.
Knurrend schlich er auf sie zu.
»Tu mir nichts!«, schrie sie. »Oben ist Hunter, er will dich umbringen.«
Sie schrie gellend auf. Die obere Kellertür wurde aufgerissen, die untere stand noch offen. Dorian Hunter und Coco Zamis waren ins Haus gekommen. Als sie Gisela Sommer nicht sahen, war Trevor Sullivan auf die Idee gekommen, im Keller nachzusehen.
Der Werwolf vergaß seine Rache an der Frau, die ihn in den Vollmondnächten angekettet hatte. Ärgere Feinde standen ihm jetzt gegenüber.
Er fegte die Treppe hoch. Trevor Sullivan stand vor ihm, Giselas Nullacht in der Faust. Die Frau hatte die Waffe auf die Flurgarderobe gelegt. Als der Wagen mit Dorian Hunter und Coco Zamis vorgefahren war, hatte sie sie vergessen, da sie nur noch von ihren bohrenden Ängsten beherrscht wurde.
Ohne Pistole war sie in den Keller gegangen.
Die Klaue des Werwolfs traf Trevor Sullivans Hand im gleichen Augenblick, als er abdrückte. Ohrenbetäubend krachte der Schuss in dem Kellergewölbe, das schon so viel Grauenhaftes gesehen hatte. Die Nullacht fiel auf die Treppe.
Der Werwolf warf Trevor Sullivan mit einem Hieb die Treppe hinunter. Oben stand Dorian Hunter. Instinktiv erkannte der Werwolf, dass dies sein gefährlichster Feind war. Knurrend sprang er ihn an, aber Dorian wich aus dem Keller und zog ein langes silbernes Messer hervor.
Coco Zamis, die in der Diele stand, wollte ebenfalls eingreifen. Bevor sie noch irgendetwas unternehmen konnte, raffte der Werwolf sich auf.
Dorian versetzte ihm einen Tritt. Doch damit konnte er den Werwolf nicht aufhalten. Die Bestie packte ihn, die Reißzähne näherten sich seinem Hals. Da stieß Dorian mit dem Silbermesser zu, das sich in die Schulter des Werwolfs bohrte. Gellend heulte die Bestie auf, Blut floss aus der Wunde. Die magische Kraft des Silbers bereitete der Bestie ungeheuren
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