057 - Sanatorium der Cyborgs
Mundpartien.
Man hatte sie offensichtlich bereits früh bemerkt und ein Empfangskomitee Stellung nehmen lassen.
»Ganz ruhig bleiben!«, zischte Matt. Seine Hand schwebte über der Uniformtasche, in der sein Driller steckte.
Man merkte Aruula die Überwindung an, nicht ihr Schwert aus der Rückenhalterung zu ziehen. »Sie haben keine Waffen.«
»Brauchen sie auch nicht«, raunte Aiko. »Die reißen uns mit bloßen Pranken in Stücke.«
Er stand gespannt da, beide Arme halb erhoben und bereit, sich auf den ersten Robot zu stürzen. Auch wenn es Selbstmord gewesen wäre angesichts der Übermacht.
Doch die zwölf bis vierzehn LoBots machten keine Anstalten, irgendwen in Stücke zu reißen. Im Gegenteil verhielten sie sich äußerst passiv. Dann begann der aus dem Gebüsch zu sprechen. Seine Stimme klang unmoduliert und kratzig wie ein altes Reibeisen.
»Ihr werdet im Sanatorium erwartet«, klang es aus der siebartigen Platte in seinem Gesicht.
»Bitte folgt uns.«
Das war alles. Keine Drohungen, keine Handgreiflichkeiten. Die LoBots wandten sich um und gingen auf den Eingang des Hauptgebäudes zu. Sie überzeugten sich nicht einmal davon, ob ihre »Gäste« ihnen folgten.
»Was machen wir?«, fragte Aruula unsicher. »Sie scheinen friedlich zu sein.«
»Oder es ist eine Falle«, sagte Matt.
»Glaube ich nicht«, ließ sich Aiko vernehmen. Der Cyborg hatte sich entspannt. »Die Hauptprogrammierung meines Vaters besagt, dass Menschen nicht verletzt werden dürfen. Das wurde im P-Chip verankert und kann nicht so einfach umgangen werden. Außerdem wollen wir herausfinden, was hier läuft. Gibt es eine bessere Gelegenheit?«
Auch wenn Matthew Drax die optimistische Sicht seines Cyborg-Gefährten nicht teilen konnte, in einem hatte Aiko Tsuyoshi Recht: Sie würden nichts erfahren, wenn sie weiter hier herumstanden. »Also los«, sagte er. »Aber seid wachsam und haltet die Waffen griffbereit!«
»Und ein Gebet an Wudan kann auch nicht schaden«, ergänzte Aruula.
Sie passierten das Tor in einem Zaun, der das Gelände der Truckfabrik umgrenzte. Irgend jemand mit krankem Humor hatte ein ausgebleichtes Sackgassen-Schild darüber befestigt: »Dead End«. Matt lief ein gelinder Schauer über den Rücken. Hoffentlich war das kein böses Omen…
Der düstere Gedanke verflog, als ihnen eine Gestalt aus dem Eingang des Hauptgebäudes entgegen trat - eine menschliche Gestalt!
Matt hatte ja mit vielem gerechnet, aber nicht mit einer kaum zwanzigjährigen Schönheit mit langem blonden Haar, gertenschlanker Figur und einem… nun, etwas gewagten Outfit. Sie trug eine knallrote offene Plastikjacke über hautengen Hosen gleichen Materials, darunter ein transparentes Shirt, Lederhandschuhe und klobige Stiefel. Ein fröhlicher Farbklecks in all der Tristesse und eine Augenweide. Letzteres zumindest für Aiko und ihn, denn Aruula verzog nur missbilligend den Mund. Obwohl sie selbst mit noch weniger Kleidung herumlief, wenn die Witterung es erlaubte.
»Hallo«, begrüßte die junge Frau die Gruppe und kam auf sie zu. »Willkommen im Sanatorium. Ich bin Daryll, die leitende Cyborg.«
Matt überwand seine Überraschung, trat ihr entgegen und schüttelte die dargebotene Hand. Ihr Griff fühlte sich warm und fest an. »Maddrax«, stellte er sich mit dem Namen vor, der ihm inzwischen so vertraut war wie sein echter. »Und das hier«, er wandte sich halb um, »sind meine Begleiter Aruula und Aiko.«
Aruula beschränkte ihren Gruß auf ein knappes Nicken, und Aiko schien wegen Darylls freizügiger Aufmachung etwas unsicher; er vermied einen Blick auf ihre ansehnlichen Brüste, als er ihr die Hand schüttelte und dabei die Jacke weit aufklaffte.
»Haank hat euch geschickt«, sagte Daryll; es war eine Feststellung, keine Frage. Matt widersprach, einer Eingebung folgend, nicht. Vielleicht war dies ja die beste Möglichkeit, mehr zu erfahren. »Ich habe lange nichts mehr von Takeos Klinik gehört. Wie ist die Lage dort?«
»Alles beim Alten«, antwortete Aiko und bewies, dass er die gleichen Gedanken hegte wie Matt. »Die neuen Serien bewähren sich gut, deshalb gibt es kaum noch Ausfälle.«
Daryll machte eine einladende Geste. »Tretet ein«, sagte sie. »Ich zeige euch eure Räume…«
Sie gingen durch düstere Gänge, die nur hier und da von einer elektrischen Birne erhellt wurden. Das Sanatorium verfügte also über einen Generator. Natürlich - wie sonst hätte man die Energiespeicher der älteren LoBot-Serien wieder aufladen
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