057 - Schreckensmahl
Kleidern, blutig, verschrammt und verkratzt. Manche trugen
nur noch Fetzen am Körper.
Ihre gellenden Stimmen hallten durch das düstere Gewölbe,
in dem Fackeln und Kerzen brannten. Und mitten unter ihnen – Patrick Dolan. Er
saß auf einem Stuhl, dessen Sitzfläche mit zahlreichen dicken Nägeln versehen
war, in der Art eines Yagi-Bettes.
Patrick trug kein Hemd mehr. Seine Daumen waren in
Zwingen eingespannt, eine Lederpeitsche, die mit stählernen Widerhaken versehen
war, klatschte rhythmisch auf seinen Körper. Patrick wand sich unter Schmerzen.
Das Blut lief an seinen Armen herunter, aus seinen Hosenbeinen. Patrick Dolan
schrie wie am Spieß. Seine Stimme hallte schaurig durch das Gewölbe.
»Loslassen! Aufhören!« Ich boxte mich durch die Körper,
die wie eine lebende Mauer meinen Freund umgaben. Aber es war schon zu spät. Ich
weiß nicht, wieviel Zeit vergangen war. Es kam mir vor wie eine Ewigkeit, ehe
ich das letzte Weib auf die Seite gestoßen hatte, den Stuhl erreichte, auf dem
Patrick –
noch eben gesessen hatte. Jetzt war er leer!
Blutverschmiert. – Ich hob den Blick, als ein Schatten mein Gesicht streifte.
Mir stockte der Atem. Über mir, an einem großen Haken in
der Decke, an einer Schlinge – hing Patrick!
Sein geschwollenes Gesicht war blau angelaufen, die Augen
traten aus den Höhlen … man hatte ihn erhängt, nachdem man ihn schon vorher
fast zu Tode gefoltert hatte!
Alles in mir sträubte sich. Ich begriff die Welt nicht
mehr.
Krampfhaft versuchte ich, aufzuwachen. Aber ich konnte
nicht! Und dann rückten sie auf mich zu. Joan, Sally – und die anderen. Ihre
gierigen Hände streckten sich nach mir aus.
Ich wich zurück, wirbelte dann herum und raste wie ein
Wahnsinniger, wie von Furien gehetzt, die ausgetretenen, feuchten Stufen
hinauf.
Der Alte – wo war nur der Alte?
Ich hörte sie schreiend hinter mir herkommen, sie wollten
auch mich.
Gehetzt, schwer atmend, mit schweißtriefendem Gesicht
gelangte ich wieder im Wohnzimmer an. Im Kamin, das Feuer war erloschen. Es war
kalt. Die Gläser auf dem Tisch leer. Ich raste zur Tür. Raus hier! Nur dieser
Gedanke noch erfüllte mich. Von der Seite her tauchte eine Gestalt auf. Ein
Mann.
Der Alte. Für den Bruchteil eines Moments trafen sich unsere
Blicke. Der Alte verzog sein Gesicht zu einem Grinsen. Sein teuflisches Lachen
erfüllte den Raum und mischte sich unter das Schreien und Geifern der Weiber,
die dem Schlund der Hölle entronnen zu sein schienen.
Ich warf mich auf die Tür zu, riß sie auf und fegte durch
den handtuchschmalen Flur. An der Tür, wie aus dem Boden gewachsen, stand der
Alte noch mal neben mir.
»Er war ein Dolan – er hat seine Strafe verdient. Damit
ist der Stammbaum der Dolans ausgerottet …« Ein böses Lachen begleitete seine
Worte. Dann wandte er sich um, und erst jetzt sah ich, als er an mir
vorüberging, daß er irgendwie verändert war.
Seine Beine!
Ein menschlicher Fuß – ein Pferdefuß! Der Gestank von
Schwefel und ätzender Säure entströmte seinem Körper.
Ich war dem leibhaftigen Satan begegnet!
Am nächsten Morgen fand man mich. Völlig erschöpft und
unter den Nachwirkungen eines Schocks. Ein Bauer rief die Polizei an. Dort
machte ich meine erste Aussage. Ich sehe noch heute die ratlosen, grinsenden
Gesichter vor mir.
Dann schalteten sich Scotland Yard und der Staatsanwalt
ein, als man Patrick Dolan zu suchen begann. Man fand auf dem schmalen Pfad im
Moor nur das Auto und meine Fußspuren.
Keine Spur von dem Haus, das ich immer und immer wieder
erwähnte. Die gleiche Geschichte von Patrick Dolan und seiner fantastischen
Idee erzählte ich dem Richter. Ein psychiatrischer Gutachter wurde während des
Prozesses hinzugezogen. Ihm verdanke ich, daß man mich nicht einen Kopf kürzer
machte.
Aber dafür kam die Einweisung in die Anstalt.
Die Indizienkette des Staatsanwaltes war nicht zu
durchbrechen. Ich war mit Patrick Dolan befreundet. Er war reich – ich arm.
Vielleicht hatte ich Schulden bei ihm. Und dann wollte Patrick, mein guter
Freund Patrick, dieses Geld wieder zurückhaben. Ich überredete Dolan zu einer
Fahrt ins Moor.
Dort brachte ich ihn um. Die Leiche hat man niemals
gefunden.
Sie müßten jeden Quadratmeter von Devon sondieren.
Das alles hört sich plausibel an. Aber nicht ein einziges
Wort daran ist wahr. Wahr allein ist meine Geschichte. Der Richter glaubte mir
nicht, der Anwalt und die Geschworenen glaubten mir nicht. So kam ich in die
Anstalt. Eine weiße
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