0578 - Die Geisel
herausgerissen, blickte hin – und ging nicht mehr weiter.
Das konnte nicht stimmen, das durfte nicht wahr sein. Die tote Donna Brookman war verschwunden!
***
Regungslos stand ich auf der Stelle und starrte dorthin, wo Donna gelegen hatte.
Der Platz war leer!
Cliff Hamilton legte mir eine Hand auf die Schulter. »John, ich kenne dich lange genug. Jedem anderen hätte ich jetzt einige verdammt unangenehme Fragen gestellt…«
»Verdammt, Cliff!« knirschte ich. »Mir ist klar, was in deinem Schädel vorgeht, aber halte mich nicht für einen Phantasten. Ich habe Donna Brookman hier liegen sehen, daran gibt es nichts zu rütteln. Und sie war tot.«
»Aber jetzt ist sie nicht mehr da.«
»Das sehe ich selbst!«
»Wo kann sie sein? Hat sie jemand abgeholt?«
»Das hätte ich gesehen.«
»Dann ist sie von allein verschwunden. Sie ist aufgestanden und gegangen. So einfach ist das.«
»Mit der Wunde? Cliff, wenn du sie gesehen hättest und das Blut dazu…«
»So etwas kann man nachmachen. Ich habe allmählich das Gefühl, in einem miesen Film unfreiwillig mitzuspielen. Man hält uns hier zum Narren, John. Jemand hat ein Spiel in Gang gesetzt, das wir auf keinen Fall mehr durchschauen.«
»Allmählich geb ich dir recht. Dieser Zombie ist verflucht raffiniert und schlau.«
»Er kann sie also auch nicht weggeholt haben.«
»Nein, Cliff, das hätte ich alles gesehen.«
»Dann stehe ich vor einem Rätsel, falls sie wirklich tot ist. Ich tendiere dahin, daß man uns reingelegt hat. Vollgeschmiert mit künstlichem Blut und…«
»Cliff, ich weiß, wie jemand aussieht, der gestorben ist. Ich kenne mich mit Leichen aus, leider.«
Er stand vor mir und hob die Schultern. »Du siehst mich überfragt. Das ist wie ein Spuk. Nach normalen Regeln ist hier nicht gespielt worden, John. Das mußt du mir zugestehen.«
»Tue ich auch.«
»Und weiter?«
»Nichts weiter. Meine Gedanken bewegen sich in eine andere Richtung. Der Kidnapper hat sich nicht grundlos als Zombie ausgegeben. Da steckt mehr dahinter.«
Hamilton nickte mir zu. »Ich kenne deinen Job, John, ich weiß, womit du dich beschäftigst. Ich will dir auch nicht hineinreden. Kommt für dich, wenn wir die Möglichkeit einer Täuschung ausschließen, eine übersinnliche Alternative in Frage?«
»Ja.«
»Dann ist es endgültig dein Fall.«
Ich nickte und holte meine Bleistiftleuchte hervor, um die unmittelbare Umgebung nach Spuren abzusuchen. Verdammt noch mal, ich hatte das Blut auf der Kleidung gesehen! Vielleicht war es zur Seite gelaufen und hatte sich auf den Bohlen ausgebreitet, die leider zu feucht waren, denn ich würde Mühe haben, es zu entdecken.
Der Lichtstrahl beschrieb einen Kreis. Ich hatte mich gebückt. Hamilton stand neben mir, ohne eine Frage zu stellen. Er wußte, wonach ich suchte.
»Hast du etwas gefunden, John?«
»Ich glaube, hier ist etwas.«
Der Captain bückte sich.
Mit dem linken Zeigefinger deutete ich auf einen bestimmten Fleck auf den Bohlen. Der helle Lichtkreis ließ uns die farblichen Unterschiede erkennen.
Hamilton tunkte die Fingerspitze hinein und verrieb die Flüssigkeit mit dem Daumen. »Ja«, flüsterte er, »du hast recht, verdammt noch mal. Du hast tatsächlich recht. Das ist Blut! Wir werden es untersuchen und feststellen, ob es tatsächlich von Donna Brookman stammt.« Er ließ eine kleine Probe in einer Plastiktüte verschwinden, die er aus einer Tasche hervorgeholt hatte.
Ich war gebückt weitergegangen, da ich davon ausging, daß Donna Brookman, sollte sie tatsächlich verschwunden sein, auf ihrem weiteren Weg noch mehr Blut verloren hatte.
Einige Flecke fand ich noch, den letzten am Rand der Brücke, wo auch schon Gras wuchs, das die Spuren von Füßen zeigte. Es war an einigen Stellen heruntergetreten worden, und die Spuren führten zum Ufer hinunter. Der Untergrund war feucht geworden, als ich ihnen folgte.
Hamilton blieb auf der Brücke. Ich stand bereits am Wasser und schaute zu der dunstumwobenen Gestalt hoch.
»Hast du was gefunden, John?«
»Ja, das ich sicher. Sie muß hier gegangen sein.«
»Gegangen?«
»Natürlich.«
»Kann sie nicht getragen worden sein?«
»Dann hätte sie auch geholt werden müssen. Ich sage dir, Cliff, die ist zu Fuß unterwegs gewesen.«
»Dann war sie also nicht tot.«
»Höchstens untot!« sagte ich leise.
»Wie meinst du?«
»Schon gut.« Ich leuchtete mit der Lampe nach vorn, weil ich sehen wollte, wo sich eventuell noch Spuren abzeichneten. Die Umgebung des
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