0578 - Die Geisel
sich leider nicht vermeiden, Mr. Brookman. Ich mußte Rücksicht auf Ihre Töchter nehmen.«
»Ja, ja.« Er deutete auf eine offene Tür. »Kommen Sie in den Wohnraum, bitte.«
Ich folgte durch die mit dunklen Möbeln und Stoffen eingerichtete Halle der gebeugt gehenden Gestalt. Der Wohnraum war groß. Er lag nach hinten raus. Man schaute in einen großen Garten, in dem nur eine Lampe brannte. Sie wirkte auf mich wie ein blasses Totenlicht. Auch im Wohnraum standen dunkle Möbel. Dazwischen sah ich wertvolle Antiquitäten. Kostbare Figuren, wovon einige auf Sockeln standen und andere wiederum an den Wänden hingen.
Zwei Uhren tickten. Auf einem runden Barocktisch stand eine Flasche Kognak, daneben ein Glas. Brookman nahm die Hand aus der Hausjacke und deutete auf die Flasche. »Möchten Sie auch einen Schluck, Mr. Sinclair?«
»Ja, den könnte ich jetzt brauchen.«
Ich bekam von dem edlem Getränk. Wir prosteten uns zu. Brookman stierte ins Leere. »Ich weiß nicht, ob ich hoffen oder verzweifeln soll. Ich wanke zwischen beiden Zuständen.«
»Das kann ich Ihnen nachfühlen.«
Er nickte dem Telefon entgegen. »Ich warte auf den Anruf, daß der Hundesohn meine Töchter freiläßt, aber…« Er hob die Schultern.
»Es kommt einfach nichts. Es kommt nichts.« Er sprach mit schluchzender Stimme. »Dieser Hundesohn hält einen alten Mann zum Narren.«
»Er hat sich als Zombie ausgegeben, Mr. Brookman.«
»So ein Unsinn.«
»Wieso?«
»Das ist ein Trick gewesen, um mich in Angst und Schrecken zu versetzen. Nein, dem kann ich nicht glauben.«
»Weshalb gerade Sie, Mr. Brookman?«
»Das kann mit meinem Geschäft zusammenhängen. Wie Sie sicherlich wissen, verleihe ich Geld.«
»Wahrscheinlich zu hohen Zinsen.«
»Ja und nein. Kein Wunder. Sie sind natürlich höher als normal. Ich muß mir das Geld ja auch besorgen…«
»Was tun Sie, wenn jemand nicht zahlen kann.«
Plötzlich wurde er blaß, hob den Kopf und starrte mich hart an.
»Ich weiß, worauf Sie hinauswollen, aber das läuft nicht, Mr. Sinclair.«
»Was soll nicht laufen?«
»Ich schicke keine Schläger zu säumigen Zahlern.«
»Was denn?«
»Ich schöpfe allein die rechtlichen Mittel aus. Das steht jedem Bürger dieses Staates zu.«
»Da haben Sie recht.«
»Wieso fragen Sie überhaupt danach?«
»Ich suche nach einem Motiv für die Tat. Man könnte möglicherweise davon ausgehen, daß einer Ihrer ehemaligen Schuldner sich Ihre beiden Töchter geholt hat.«
»Die haben nicht das Format.«
»Kennen Sie die Leute so gut?«
»Nein, das nicht. Wer sich allerdings bei mir Geld leiht, der ist in Panik und kommt kaum auf den Gedanken, derartige Pläne zu schmieden.«
»Das kann ich nur unterstreichen. Demnach müssen wir in einer anderen Richtung nachforschen.«
»Holen Sie lieber meine Töchter zurück!«
»Gern, aber der Kidnapper ließ mir bisher keine Chance. Selbst die Scharfschützen hatten keine Möglichkeit.«
»Ich mache mir jetzt noch Vorwürfe, daß ich die Polizei überhaupt eingeschaltet habe. Wahrscheinlich wäre es ohne sie besser gewesen.«
»Glauben Sie denn, Sie hätten Ihre Töchter zurückbekommen?«
»Das kann ich nicht sagen. Viel anders wäre es doch nicht geworden – oder?«
Ich trank einen Schluck. »Damit bin ich nun überfragt.«
Brookman lehnte sich zurück. Er schlug die Beine übereinander.
»Sagen Sie mal, Sinclair, weshalb sind Sie zu mir gekommen? Bestimmt nicht nur aus Langeweile. Ich kann mir vorstellen, daß Sie jetzt auch lieber im Bett liegen würden…«
»Da haben Sie allerdings recht.«
»Weshalb sitzen Sie hier?«
»Weil ich einfach das Gefühl habe, daß der Fall noch nicht beendet ist und hier bei Ihnen seinen Weg weitergehen wird.«
»Gefühl?« Sein Kopf ruckte vor. »Das können Sie mir nicht erzählen. So etwas gibt es nicht.«
»Doch.«
»Aber nicht bei Polizisten.«
»Hören Sie, Mr. Brookman. Dieser Kidnapper hat ausdrücklich nach mir verlangt. Er hat sich als Zombie ausgegeben und verlangte nach mir. Das muß einen Grund gehabt haben.«
»Über den ich Ihnen nichts sagen kann.«
»Fast glaube ich Ihnen sogar, Mr. Brookman. Sie und Ihre beiden Töchter können Mittel zum Zweck gewesen sein. Tatsächlich aber wollte der Unbekannte mich treffen.«
Brookman kratzte sich mit seinen weißen Geierfingern am Hals.
»Und deshalb hat er sich als Zombie ausgegeben? Das begreife ich nicht. Sorry, das ist zu hoch für mich.«
»Sie sind nicht eingeweiht. Meine Beziehungen zu
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