0578 - Die Geisel
und hatte den Eindruck, als würde das Grauen unendlich werden…
Wie die Gefangene einer kleinen Insel hockte sie auf den schwarzen Steinen, wehrlos und von einer starken Angst gezeichnet. Sinclair oder der Vampir?
Es gab keine zwei Sieger.
Wer hatte die größeren Chancen?
Marion wagte nicht, darüber nachzudenken…
***
Was Suko tat, war mir egal. Ich wußte, daß es nur diesen einen Weg für mich geben konnte. Einen Weg in den Sieg oder in die Hölle. An die letzte Möglichkeit durfte ich erst gar nicht denken. Auf einer Müllhalde zu enden, ist nicht eben erstrebenswert.
So schritt ich Mallmann entgegen, der in seiner weißen Kidnapperkutte mit der roten Kapuze auf mich wartete. Er hatte seine Haltung nicht verändert, allerdings brauchte er auch kein Licht.
Ich ließ die Lampe ebenfalls stecken und dachte an meine anderen Waffen.
Einmal die Beretta, dann das Kreuz, auch den Dolch trug ich bei mir. Mochte ein Vampir noch so stark sein – gegen das geweihte Kreuz, die Kugel aus Silber oder auch gegen den Silberdolch kam er nicht an. Alle Waffen waren auch für Mallmann tödlich.
Ich hätte längst schießen und ihn vernichten können. Ich tat es nicht. Da war erstens Marion Brookman, die Geisel, und zweitens dachte ich an meine Mutter, die sich ebenfalls noch in den Klauen des Blutsaugers befand. Wahrscheinlich hielt er sie irgendwo versteckt, wo ich sie von allein niemals fand.
Das alles war auch Mallmann bekannt. Nur aus diesem Grund stellte er sich mir offen entgegen. Ich wußte nicht genau, was er von mir wollte. Die fünfhunderttausend Pfund Lösegeld hatte er von mir bekommen. Startkapital für furchtbare Pläne. Es konnte höchstens sein, daß er mich vorführen und mir meine eigene Hilflosigkeit demonstrieren wollte. Wenn es auch lächerlich klingen mag, Vampire besitzen irgendwie eine Psyche, zudem war Mallmann noch nicht lange Blutsauger. Er hatte seine normale, menschliche Existenz bestimmt nicht vergessen und kannte noch zahlreiche Tricks und Kniffe, die er einsetzte.
Er winkte mir zu.
Die Distanz zwischen uns war mittlerweile so gering geworden, daß ich seine Handbewegung klar erkennen konnte.
Okay, das Zeichen hatte ich verstanden. »Keine Sorge, Mallmann, ich komme.«
»Das ist gut, John, sehr gut.« Gleichzeitig ging er zurück. Wie eine Flucht sah es nicht aus. Es kam eher vor, als wollte er mich zu einer bestimmten Stelle führen, was auch stimmte.
Ich mußte einen kleinen Hang hochsteigen. Er war mit dürren Gras bewachsen. Auf der Oberfläche des Hangs, leicht rechts von mir liegend, da entdeckte ich den kleinen Hügel, der mich an eine Pyramide erinnerte.
Ein Hügel aus Steinplatten. Unten fügten sich die breiten Platten aufeinander, während sie oben immer schmaler wurden. Die letzte von ihnen besaß jedoch Ausmaße, die mehreren Personen Platz ließ.
Im Moment befand sich nur eine darauf.
Es war Marion, die Geisel!
Sie kniete breitbeinig auf dem kalten Gestein. Auch die Arme hatte sie ausgebreitet. Zwischen den Handgelenken schimmerten die Glieder einer Kette. Auch die Fußgelenke waren durch eine Kette miteinander verbunden. Der kalte Zorn stieg in mir hoch. Wie konnte man einen Menschen nur derart behandeln.
Mallmann ging schneller. Ich hatte die untere Steinplatte noch nicht erreicht, als er über mir stehenblieb und unter seine Kutte griff.
Mit einer raschen Bewegung zog er den Arm wieder hervor. Die Hand hielt den Griff eines Messers umklammert, dessen breite Klinge einen matten Reflex in die Dunkelheit schleuderte.
Die Spitze zielte gegen die Kehle des Mädchens.
Ich blieb stehen. »Was soll das werden, Mallmann? Willst du deine Opfer jetzt erstechen?«
Er lachte dumpf unter der Kapuze. »Nein, nein oder vielleicht. Komm nur höher, Sinclair, komm nur höher.«
Ich kletterte hoch, befürchtete, daß durch mein Gewicht die Ränder abbrechen würden, aber sie hielten. Die Konstruktion war besser, als sie aussah.
Ich kletterte bis nach oben.
Will Mallmann behielt die Kapuze übergestreift. Eine lächerliche Verkleidung, doch ungemein wirkungsvoll.
Das Mädchen drehte mir den Rücken zu. Ich hörte sein heftiges Atmen und freute mich darüber, denn dies bewies mir, daß Marion noch nicht zu einem Vampir gemacht worden war.
»Was willst du, Mallmann?«
»Dir zeigen, wie hilflos du bist.«
»Bin ich das tatsächlich?«
»Du denkst an deine Beretta und an das verfluchte Ding vor deiner Brust, nicht?«
»Ja, das Kreuz!«
»Nimm es ab.«
»Und
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