0584 - Vampir-Katzen
vermischt mit einem Würgen, das sich kaum noch menschlich anhörte. Er hatte längst eine Gänsehaut bekommen, die Unterlippe zitterte, und Speichel rann darüber hinweg.
»Mrs. Tenbroke…«
Er hörte sich sprechen und hatte das Gefühl, ein Fremder hätte den Namen ausgesprochen. Wiederholen konnte er die Worte nicht, denn die Frau, die hätte tot sein müssen, bewegte sich ähnlich wie die Katze. Auch sie hob zunächst den Kopf an und schaute nach oben.
Er schaute in ein bleiches Gesicht, das anders aussah als sonst und durch den Aufprall gelitten hatte.
Sein Blick allerdings konzentrierte sich auf dem Mund, der verzogen war und weit offenstand, so daß er die beiden spitzen Zähne sehen konnte.
Mrs. Tenbroke war zu einem Vampir geworden!
Der Mann im grauen Kittel kam sich vor wie jemand, der kurz vor dem Durchdrehen stand. Was er hier erlebte, war der blanke Horror und Psycho-Terror zugleich.
Das war kein Film, sondern echt. Diese Person vor ihm, die er bisher nur als Mieterin gekannt hatte, gehörte tatsächlich zu den lebenden Toten, die nur existieren konnten, wenn sie das Blut anderer Personen tranken. Vampir-Katzen auf der einen Seite und echte Blutsauger auf der anderen. So etwas wollte nicht in seinen Schädel.
Obwohl die Person aus einem der oberen Stockwerke gefallen war, bewegte sie sich noch. Da mußte einiges an Knochen gebrochen sein, aber sie dachte nicht daran, aufzugeben. Sie wollte auf die Füße kommen. Er hörte ihr Ächzen, ihr wütendes und zorniges Keuchen, als es nicht so klappte, wie sie es sich vorgenommen hatte. Ihre Beine waren besonders stark in Mitleidenschaft gezogen worden. Sie standen verdreht vom Körper ab, was der Mann erst erkannte, als sich die Person aufstellen wollte. Sie brach schon beim ersten Versuch zusammen, auch die beiden folgenden klappten nicht, aber sie kroch weiter.
Es sah für ihn schlimm aus, wie sich die mörderische Gefahr immer weiter an ihn heranschob.
Der Mann war so konsterniert, daß er nicht zurückging. Dieses Bild wollte ihm nicht aus dem Kopf, wie die Blutsaugerin sich langsam über den Boden in seine Richtung bewegte, die ebenfalls kraftlosen Arme dabei anhob, mit den Handflächen auf das Pflaster klatschte und trotzdem weiter auf ihn zukam.
Inzwischen hatten sich Neugierige versammelt. In respektvoller Entfernung schauten sie zu. Sie wagten nicht, einzugreifen, denn sie sahen zwar, nur konnten sie nichts begreifen.
Die Blutsaugerin gab ein jaulendes Geräusch von sich. Es hörte sich fast an wie bei einer Katze, dann schüttelte sie den Kopf und wuchtete sich plötzlich auf ihn zu.
Sehr lang hatte sie sich trotz der Behinderung dabei gemacht und schaffte es auch, an ihn heranzukommen. Er zuckte nicht einmal zurück, als die flache Hand auf seinen rechten Schuh klatschte. Als die Blutsaugerin jedoch seinen Knöchel umklammern wollte, trat er ihr ins Gesicht und verschaffte sich Luft.
Das war ebenfalls gesehen worden. Ein Mann lief herbei. »Bist du wahnsinnig, Paul, du kannst sie doch nicht treten!«
Der Hausmeister zuckte zurück und fuhr herum. Er trat dem Sprecher dabei auf die Zehen, der fluchend zurücksprang. »Sie ist ein Vampir!« brüllte Paul. »Sie… sie ist ein verdammter Vampir. Seht Ihr das denn nicht?«
Keiner lachte. Keiner schaute auch in Richtung Hauseingang, wo sich die Tür öffnete und eine Person entließ.
Der Mann war ich.
***
Am liebsten wäre ich aus dem zehnten Stockwerk geflogen. Da dies nicht möglich war, hatte ich den Lift nehmen müssen, und die Fahrt dauerte natürlich ihre Zeit. Da liefen mir die Sekunden davon. Ich spürte den Druck im Magen, der auch dann nicht verschwand, als ich in der Halle den Lift endlich verlassen konnte.
Ich schlitterte über die Fliesen, suchte nach Katzen, sah keine und fand die Halle zudem menschenleer.
Die Tür öffnete sich, als ich den Kontakt berührte. Der Schwung nach links, dann sah ich, was geschehen war. Die Neugierigen drehten mir den Rücken zu. Ich hörte die Schreie des Hausmeisters, der die Gaffer davon überzeugen wollte, daß sich vor ihm eine Blutsaugerin bewegte, was für ihn natürlich so gut wie unmöglich war.
Ich trat den Beweis an.
Bevor sich einer der anderen versah, hatte ich die Gruppe passiert und war bei Mrs. Tenbroke.
Mir der linken Hand riß ich sie in die Höhe, weil ich die rechte für das Kreuz freihaben wollte.
Sie konnte sich wegen ihrer gebrochenen Glieder kaum bewegen und war wie eine Puppe, deren Arme und Beine sich schon zur
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