0586 - Der Riese aus dem All
die Verfolger waren weit zurückgeblieben. Man hatte ihre Spur offenbar verloren.
Am Horizont erhob sich ein Gebirge. Atlan hatte den Eindruck, daß es langsam, aber stetig in die Höhe wuchs. Gelbe Schmutzwolken wirbelten um die Hänge der Berge, sanken aber nicht auf das flachere Land herab.
„Der Wind weht nicht mehr besonders stark", sagte Atlan, „aber das hat auch Nachteile, Wuriu. Es ist unerträglich heiß hier."
Der Kollektivmutant, der dicht neben ihm flog, machte eine unbestimmte Geste.
„Ich würde mich gern mitfühlend äußern", erwiderte er lächelnd, „aber ich habe kein Temperaturempfinden."
Atlan blickte ihn überrascht an.
„Sie spüren nichts?"
„Nein, Sir."
Der Arkonide wischte sich über das schweißüberströmte Gesicht. Er schätzte die Temperatur auf wenigstens 40 Grad Celsius. Die Luftfeuchtigkeit lag über neunzig Prozent. Über dem Sumpfland herrschte eine ausgesprochene Treibhausatmosphäre, die das Atmen erschwerte. Für den gesamten Planeten war eine Durchschnittstemperatur von 37,3 Grad Celsius gemessen worden. Atlan mußte daran denken, daß die nüchtern analysierenden Wissenschaftler der MARCO POLO jetzt vermutlich behauptet hätten, es sei „kühl".
Wuriu Sengu wies nach Südosten, wo ein Schwarm von Flugechsen sich aus dem Gewirr der Sumpfpflanzen erhob und einigen Laufvögeln folgte, die über den schwankenden Boden hinweg flüchteten und in einen der vielen Schachtelhalmwälder zu entkommen suchten.
„Die Tierchen haben nicht vergessen, daß der Körper versorgt werden muß. Sie scheinen einen gesunden Hunger zu haben."
„Solange sie sich nicht auf uns konzentrieren, soll mir das eigentlich egal sein", entgegnete Atlan.
Der Kollektivmutant schwieg. Ihm hatte auch ein Angriff wilder Raubtiere nichts ausgemacht. Pranken und Zähne wären durch den Astralkörper hindurchgegangen, ohne auf Widerstand zu stoßen.
Der Arkonide beobachtete den Kollektivmutanten verstohlen. Er glaubte, gewisse Verfallserscheinungen bei ihm sehen zu können. Wuriu Sengu gab sich zwar gelassen, aber damit konnte er den Lordadmiral nicht täuschen. Er spürte, daß sein Begleiter schwer zu kämpfen hatte. War er tatsächlich so stark vom PEW-Metall abhängig, daß der Start des Meteors ihn derart beeinträchtigte?
Plötzlich brach eine Gruppe von etwa zwanzig Asporcos aus dem Dickicht eines Schachtelhalmwaldes. Sie waren unbewaffnet. Mit wilden Schreien näherten sie sich den beiden Männern. Dabei schlugen sie ihre Arme kräftig auf und ab. Bei fast allen waren die Flughäute noch recht gut ausgebildet. Sie waren nicht groß genug, den Asporcos das Fliegen zu ermöglichen, machten sie jedoch so leicht, daß sie schnell und mühelos über den Sumpfboden laufen konnten, ohne dabei einzusinken. So kamen sie Atlan und seinem Begleiter rasend schnell näher.
Dem Arkoniden fiel auf, daß Wuriu Sengu sich plötzlich anders verhielt. Er sah aus wie ein Mann, der sich nach einer Erholungspause erfrischt und gestärkt erhob und sich zufrieden reckte.
Atlan wartete ab. Die Asporcos rückten schnell näher. Ihre Schreie hallten zu ihnen herüber und schmerzten in seinen Ohren. Einige der Angreifer bückten sich und nahmen Knüppel vom Boden auf. Sie schleuderten sie wütend auf die beiden Männer, ohne sie jedoch zu treffen. Wuriu Sengu schien überhaupt nicht damit zu rechnen, daß Atlan den Befehl geben könnte, sich mit Hilfe der Antigravgeräte in Sicherheit zu bringen.
Sie brauchten nur ein wenig höher zu fliegen.
Die Gesichter der Asporcos ließen keine Mimik erkennen und erlaubten deshalb keine Rückschlüsse über das, was in diesen Wesen vorging. Die Angriffswut und der blinde Haß waren jedoch unverkennbar.
Als sie bis auf etwa zehn Meter herangekommen waren, gab Atlan den Befehl, höher zu steigen. Er verstellte die Schaltung seines Antigravs und schwebte nach oben. Wuriu Sengu folgte ihm zögernd. Er blickte nach unten auf die Asporcos, die in hilflosem Zorn zu ihnen heraufstarrten und abgebrochene Hölzer nach ihnen schleuderten.
„Ich verstehe, daß sie das tun", sagte der Kollektivmutant leise, aber doch so laut, daß Atlan ihn hören konnte. „Alles, was sie zu ertragen haben, haben sie mir zu verdanken."
Er blickte Atlan an. Sein Gesicht verzerrte sich.
„Mir wird übel, wenn ich nur daran denke."
„Beruhigen Sie sich, Wuriu."
„Das sagen Sie so. Sie betrifft das alles ja auch nicht so wie mich. Alles wäre nicht passiert, wenn ich nicht hierher gekommen wäre
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