0586 - In den Fängen des Wolfes
jetzt zu wissen, wie Pierre Robin dieses Geschehen sah, denn der Inspektor befand sich ja in sicherer Entfernung und hatte nur zugeschaut.
Blauer, dichter Nebel geisterte durch die Kälte dieser dunklen Nacht. Er begann die Umgebung zu verschlucken, und plötzlich konnte Zamorra auch Fenrir nicht mehr sehen.
Er rief ihn an.
Aber von dem Wolf kam keine Antwort.
Der Nebel hatte ihn verschluckt!
***
Völlig verwirrt, auch verzweifelt war Clio auf ihre vier Pfoten gesunken.
Der Schock der Verwandlung betäubte sie beinahe. Wie war das möglich? Welche unfaßbare Macht war in der Lage, ihren Körper so zu verwandeln?
Sie scharrte mit den Pfoten, sie nahm Tausende neuer Gerüche auf. Unter anderem ihren eigenen…
Wolfsgeruch!
Sie war tatsächlich zum Wolf geworden!
Sie wollte etwas sagen, brachte aber nur ein verzweifeltes Knurren hervor. Erschrocken riß sie den Kopf hoch und heulte.
»Ah, das gefällt dir wohl gar nicht«, sagte der Unheimliche. »Aber es läßt sich nicht ändern, du wirst dich für eine Weile damit abfinden müssen. Es wäre einfacher, wenn du eine richtige Werwölfin wärst, du würdest bestimmt dann leichter damit fertig werden. Aber das kann ich dir nicht gewähren - nicht jetzt. Später.«
Er öffnete den Mund etwas weiter als bisher, und er hob die Sturmlaterne dabei auch an. Ihr fahles Licht zeigte lange Fangzähne, ähnlich denen eines Vampirs!
Jetzt, da das Licht sein Gesicht besser ausleuchtete, sah Clio auch seine Augenbrauen. Sie waren über der Nasenwurzel zusammengewachsen.
Werwölfe…
Menschen, die Wolfsgestalt annehmen konnten, um andere Menschen zu ermorden!
Das hatte es für die junge Frau bisher nur in Schauergeschichten gegeben, sie hätte niemals damit gerechnet, einem wirklichen Werwolf zu begegnen!
Aber wenn sie sich nicht in einem furchtbaren Alptraum befand, dann war dieser Kerl hier tatsächlich einer dieser Lykanthropen.
Die stark ausgeprägten, durchgezogenen Brauen schrieb man doch Werwölfen zu…
Wieder drängte es sie, eine Frage zu stellen, aber wieder kam nicht mehr als Hecheln und Knurren dabei heraus.
»Deine Fragen werde ich irgendwann beantworten«, sagte der Unheimliche. »Jetzt aber ist es nur wichtig, daß du mir und meinem Plan dienlich bist.«
Doch sie wollte kein Werkzeug dieses Monstrums sein. Sie wirbelte herum, wollte in weiten Sätzen davonspringen…
Doch sie verhedderte sich in den ohnehin zerfetzten Resten ihres Nachthemdes, in denen ihr Wolfskörper immer noch steckte, und sie kam erneut zu Fall.
Der Unheimliche brauchte nur ein paar Schritte zu tun, um sie wieder einzuholen. »Das sieht doch recht lächerlich aus«, sagte er kalt. »Warte mal…« Er bückte sich, faßte mit der freien Hand zu und fetzte ihr die Stoffreste vom Pelz. »Jetzt kannst du wieder laufen.«
Sie richtete sich mit zitternden Flanken auf. Es war ein eigenartiges Gefühl, in einem fremden Körper mit so ungewohnten Proportionen zu stecken. Jede Muskelbewegung war irgendwie anders, und sie strauchelte zunächst, denn sie brauchte eine Weile, sich daran zu gewöhnen.
Der Unheimliche machte erneut eine schnelle Handbewegung.
Und aus dem Nichts tauchte der andere Wolf wieder auf!
Seine Lichter glühten, reflektierten den Schein der Sturmlaterne.
Plötzlich war alles anders als noch Minuten zuvor.
Clio fürchtete sich nicht mehr vor dem Wolf. Im Gegenteil. Sie fühlte sich zu ihm hingezogen!
Und das gegen ihren Willen!
Nein! tobte es protestierend in ihrem Bewußtsein. Ich will das nicht!
Aber sie hatte keine andere Wahl.
Sie trottete auf den alten, grauen Wolf zu, um seine Schnauze zu lecken und ihre Flanke an seiner zu reiben. Dann neigte sie ihren Kopf, bot ihm ihren Nacken an…
...bot den Nacken an zum tödlichen Biß!
***
Pierre Robin sah zuerst den blauen Nebel und dann erst die Dunkelheit. Und beides legte sich um Zamorra und den Wolf.
Es war ein seltsamer Anblick, den er vermutlich nie mehr vergessen würde. Ringsum der bewölkte Spätnachmittag mit seiner Helligkeit - und dazwischen eine Art Wolke aus Nacht und Nebel!
War das wirklich ein Weltentor?
Zamorra hatte die Wahrheit gesagt, auch Robin hatte schon einige Male mit Weltentoren zu tun gehabt. Aber die hatten alle anders ausgesehen als dieses hier, denn nun schien sich eine andere Welt mit der eigentlichen zu vermischen!
Für einen Augenblick durchzuckte ihn die Befürchtung, dieser Vorgang könnte sich unbegrenzt ausweiten, schließlich die ganze Region, ganz Frankreich und
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