0590 - Ritter Tod
bestätigte ich. »Dann darf ich mich auch vorstellen. Mein Name ist Sherlock Holmes, der Mann mit dem unheimlichen Auge. Und der Herr neben mir ist Jack the Ripper.«
»Seit wann war der Asiate?« erkundigte sich der Henker.
Ich winkte ab und gab dem Sergeant das Zeichen, den Gefangenen in den Wagen zu stecken.
***
Wir hockten zu dritt im Büro, hatten der sommerlich gekleideten Glenda Perkins die Geschichte erzählt und dabei auf ihren Kopf geschaut, den sie schüttelnd bewegte.
»Sagt mal, das kann nicht euer Ernst sein. Ihr wollt euch um diesen Psychopathen kümmern?«
»Ist er das?«
»Natürlich, John.« Glenda schlug die langen Beine übereinander, was bei ihrem kurzen, schneeweißen Rock schon jugendgefährdend war. Jedenfalls rutschte er noch höher. Dazu trug sie einen dünnen, schwarzen Pulli mit bunten Reifen auf der Vorderseite.
»Ich weiß nicht.«
»Wie denkst du denn darüber, Suko?«
Der lächelte Glenda an. »Ich habe nicht das Gefühl, dass es sich um einen Psychopathen handelt.«
»Weshalb nicht?«
»Dann wäre er nicht frei herumgelaufen, sondern hätte sich in einer Anstalt befunden.«
»Da ist was dran«, sagte ich.
»Aber nur etwas«, meinte Glenda. »Es gibt genügend Menschen, die durchdrehen und nicht hinter den Mauern bestimmter Nervenkrankenhäuser verschwunden sind.«
Ich grinste. »Du kennst dich aus.«
»Aus kommt von ausbrechen. Möglicherweise ist er irgendwo ausgebrochen.«
»Das wurde bereits nachgeprüft. Negativ«, erklärte ich.
»Also kein Ausbruch.«
»So ist es.«
»Was dann?«
»Wir kennen nicht einmal seinen Namen«, meinte Suko. »Die Fachleute untersuchen ihn noch. Sie nehmen seine Fingerabdrücke und so weiter. Danach werden wir ihn verhören.«
»Wollt ihr zuvor noch einen Kaffee?«
»Wenn du welchen hast.«
Glenda stand auf, strich ihren Rock glatt und meinte: »Ich werde mal nachschauen.«
Sie verschwand aus dem Büro, um ins Vorzimmer zu gehen. Der weiße Rock spannte sich um ihre Pobacken. Das war schon eine brisante Ladung auf zwei Beinen, die unseren Raum verlassen hatte.
»Frühlingsgedanken?« fragte Suko, der meinen Blick bemerkt hatte.
»Aber immer.«
»Denk lieber an den Henker.«
»Le Grand, der Große«, sinnierte ich, wobei ich mit dem Zeigefinger Kreise auf die Platte malte. »Der hat es jedenfalls geschafft, täuschend echt auszusehen.«
»Sehr echt.«
Ich runzelte die Stirn. »Was willst du damit sagen, Suko?«
»Das ist schwer. Ob wir es bei diesem Mann mit einer gespaltenen Persönlichkeit zu tun haben?« Suko legte beide Hände auf den Schreibtisch. »Vielleicht hat er tatsächlich geglaubt, dieser Henker zu sein. Das ist doch möglich.«
»Dann erkläre es bitte.«
»Man hat es ihm suggeriert.«
»Du denkst dabei an Hypnose«, sagte ich.
»Richtig, Beeinflussung. Jemand hatte über ihn die Kontrolle. Dieser Jemand muss sehr mächtig sein. Möglicherweise hat er sogar satanische Kräfte, zumindest welche, die über das Normalmaß hinausgehen, finde ich.«
Ich hob die Schultern. »Bevor ich nicht mit ihm persönlich gesprochen habe, sage ich dazu gar nichts.«
»Klar, du machst es dir leicht.«
»Immer.« Ich grinste.
Glenda brachte den Kaffee. Für Suko hatte sie Tee, er erhielt sein Getränk zuerst. »So«, sagte sie, »dann möbelt mal eure Geister etwas auf. Vielleicht gebt ihr mir dann recht.«
»Suko denkt anders darüber.«
»Wie anders?«
»Er glaubt an geheimnisvolle Kräfte, an übersinnliche, wenn man es genau nimmt.«
»Das ist euer Bier.«
Zunächst war es mal mein Kaffee, den ich in kleinen Schlucken genoss. Draußen schien die Sonne. Es war nicht mehr so heiß wie an den vorangegangenen Tagen. Außerdem hatte es ziemlich starke Gewitter gegeben, die Luft war wieder klar und sonnig.
Als das Telefon schnarrte, nahm ich ab. Es war der Kollege aus der Vernehmung.
»Was herausgefunden?«
»Sie haben gut reden, Sinclair. Der behauptet nach wie vor, der Henker zu sein.«
»Er muss doch einen Namen haben, zum Teufel!«
»Le Grand. Vielleicht hat der Teufel ihm auch diesen Namen gegeben. Wer weiß das schon.«
Ich wühlte mit den gespreizten Fingern durch mein Haar. »Sollen wir uns dann mit ihm beschäftigen?«
Der Kollege lachte laut. »Das wäre mir sogar sehr lieb, Mr. Sinclair. Sollten Sie tatsächlich Erfolg haben, sagen Sie mir bitte, wie das möglich gewesen ist.«
»Mal sehen.«
Ich leerte meine Tasse und nickte Suko zu. »Tja, dann wollen wir mal los, Alter. Lass dir schon mal ein
Weitere Kostenlose Bücher