0595 - Der Werwolf-Dämon
Nachforschungen an.«
»Ich?« keuchte Marais. »Wieso ich, Chef?«
»Weil ich der Chef bin. Ich will wissen, ob irgendein Zoo oder irgendein Privatmann in letzter Zeit einen Wolf aus seiner Sammlung vermißt. Überhaupt will ich wissen, wo es solche Tiere in dieser Gegend gibt.«
Jeannot Marais seufzte abgrundtief. »Chef, das ist ein verrückter Serienmörder, glauben Sie mir. Der Typ ist nicht ganz dicht im Kopf. Mordet nur bei Vollmond, zerfetzt seine Opfer regelrecht. Das sieht nach Ritualmord aus.«
»Kommen Sie mir jetzt bloß nicht mit Teufelsanbetern«, wehrte Perrot ab. »Das hier wird die Presse schon zur Genüge ausschlachten. Jedesmal, wenn irgendwo ein Mensch auf andere Weise als mit Messer, Kugel oder Gift umgebracht wird, zerreißen sich die Tintenkleckser die Mäuler. Und jetzt, mein guter Mann, schwingen Sie Ihren Hintern in Richtung Telefon und befragen Sie den Rest der Nation nach ausgebrochenen Wölfen. Viel Spaß damit!«
»Und was machen Sie derweil, Chef?«
Perrot grinste. »Ich spiele Chef und beaufsichtige Ihre Arbeit. - Nein, im Ernst, ich nehme mir mal die Leute vor, die diesen Jean Bouix kannten. Da soll's einen Streit bei einer Party gegeben haben. Eifersuchtsdrama unter Jugendlichen. Vielleicht ist da ja was dran, nur kann ich mir nicht vorstellen, daß jemand deswegen einen anderen umbringt, und noch dazu so, daß der aussieht wie das Opfer eines wildgewordenen Wolfes.«
»Hundes, Chef.«
»Wir können ja wetten. Meinen Notizblock gegen Ihren, daß es ein Wolf war.«
»Kommt ja gar nicht in Frage«, wehrte Marais ab. »In meinem Notizblock stehen mehr Adressen hübscher Mädchen als in Ihrem, und wenn Sie schon 'ne Wette anbieten, dann doch nur, weil Sie eh gewinnen. - Schon gut, ich telefoniere.«
***
Philippe Bouix stutzte.
»Du, Großmutter? Hier?«
Verblüfft starrte der sechzehnjährige Junge die alte Dame an, die im Zimmer seines toten Bruders saß. Inmitten des wilden Sammelsuriums aus sparsamem Mobiliar, Stereo-Anlage, gutbestückten Bücherregalen, Postern und Videocassetten. An der Wand hing eine Gitarre, und über dem Fernseher schwebte am dünnen Nylonfaden ein detailgetreues selbstgebautes Modell der Weltraumstation ›Babylon 5‹.
Zwischen all diesen Dingen wirkte die Großmutter recht fehl am Platze, auf seltsame Art auch irgendwie verloren.
Sie hielt eines der Bücher in der Hand, ein ziemlich zerlesenes Exemplar. Es war Jeans Lieblingsbuch gewesen. Er kannte ganze Kapitel auswendig.
Und nun war das alles Vergangenheit.
Jean war tot. Auf dem Heimweg von einer Party von einem Tier angefallen und getötet.
Der Bezirks-Gendarm hatte ihn eher zufällig gefunden, noch ehe die Bouix sich darüber wundern konnten, daß er diesmal so lange fortblieb.
Lenard, Jeans Vater, hatte ihn identifiziert. Und danach hatte er noch mehr getrunken als sonst, er war nahe an einer Alkoholvergiftung gewesen.
Jeans Tod vvar ein böser Schlag für sie alle.
Vor ein paar Jahren schon war seine Mutter gestorben. Einfach so. Niemand wußte so recht, warum. Sie war krank geworden, und nach wenigen Wochen war es schon vorbei gewesen, für immer.
Da hatte der Vater begonnen, zu trinken. Seine Disziplin reichte gerade noch so weit, daß er es schaffte, einigermaßen nüchtern am Arbeitsplatz zu erscheinen. Aber kaum war er zum Feierabend wieder zu Hause, vergrub er sich hinter den Flaschen.
Die Großmutter hatte es nicht geschafft, ihn davon wieder abzubringen. Im Grunde war Lenard zusammen mit seiner Frau gestorben. Sein Körper lebte noch und sorgte dafür, daß die Familie durchkam, aber seine Seele war längst tot.
So tot, wie es Jean jetzt war.
»Dieses Flittchen ist schuld«, sagte Großmutter leise. »Jean war ein guter Junge. Er hätte sie auf Händen getragen. Aber… Ich glaube nicht, daß sie um ihn trauert. Sie trösten sich mit dem… wie heißt er noch?«
»DeGault«, half Philippe aus. »Alexander der Große.«
»Nenn ihn nicht so!« rief Großmutter. »Er ist es nicht wert!«
»Du glaubst doch nicht wirklich, daß Dominique an Jeans Tod schuld ist?« sagte Philippe zögernd. »Es war… es war diese Bestie!«
»Wenn dieser unselige Streit nicht gewesen wäre, dann wäre er auf der Party geblieben und sicher später auch nicht durch den Wald gegangen. Du weißt, er hat die alten Bäume nie gemocht. Diese schaurigen Bilder, die er damals gemalt hat, sie erschrecken mich immer noch.«
»Nicht Dominique oder Alexander haben Jean umgebracht, und auch nicht der
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