0599 - Die Kralle
loderte dort ein Fahrzeug, und ich glaubte auch, meinen Freund Bill erkennen zu können. Wichtig war zunächst Ricardo! Er hatte schon eine ziemlich große Distanz zwischen uns gebracht, bevor ich startete und die Stimmen des Butlers sowie der jungen Frau leiser wurden.
Ricardo rannte mit langen Schritten, bis zu dem Augenblick, als er abrupt stoppte.
Ich rechnete damit, daß er herumfahren und sich mir stellen würde, das tat er nicht.
Da es dunkel war, konnte ich die Bewegung seiner rechten Hand nur schattenhaft erkennen. Den Arm hatte er angewinkelt, zweimal stieß er die Klaue schräg nach oben.
Beim zweiten Herausziehen brach er selbst zusammen. Ich blieb in dem Augenblick keuchend neben ihm stehen, als er auf dem Bauch lag und sein Leben aushauchte.
Es ging mir gegen den Strich, aber ich mußte mich überzeugen.
Deshalb leuchtete ich ihn mit der Lampe an. Der Strahl erwischte seine untere Gesichtshälfte, wo sich eine dicke Flüssigkeit allmählich ausbreitete und eine Lache bildete.
Ricardos Blut…
Die Schritte der Deliah Courtain hämmerten hinter mir. Ich drehte mich um und fing sie ab.
»Was ist denn? Was ist…?«
»Nichts mehr, Deliah, nichts. Sie können diesen Alptraum endlich vergessen.«
Sie stierte mich an. »Sag nur, daß er nicht mehr…«
»Er ist tot, Mädchen. Und falls es Sie beruhigt, Ricardo war kein Zombie. Wir alle sind wohl auf einen verdammten, aber gut gemachten Bluff und Trick hereingefallen…«
***
Das bestätigte uns George, denn er hatte die Worte aus der Küche noch gut in Erinnerung. Wir hockten zusammen, tranken Wasser und schauten in den Park, wo die Feuer längst niedergebrannt waren und nur mehr kalter Rauchgeruch an das Geschehen erinnerte.
Im Osten kroch schon die Morgendämmerung heran. Der vergangene Tag war längst tot. Über Ricardos und Dacros Verhältnis würde uns keiner mehr Auskunft geben.
Bill hatte schon mit Sheila gesprochen und erklärt, daß wir okay waren. Irgendwie blieben wir noch immer auf der Außentreppe hocken. Wir waren einfach zu kaputt, um irgend etwas zu unternehmen. Wegzufahren oder einfach in den neuen Morgen hineinzulaufen.
Irgendwann stand ich auf und schritt die Stufen der Treppe hoch.
Bill drehte sich nicht einmal um, als er mich fragte: »Was hast du vor?«
»Die Mordkommission benachrichtigen. Die Kollegen sollen die Leichen mitnehmen.«
»Okay, tu das.«
Ich ging hinein in die relative Kühle des Hauses und dachte daran, daß ich mir im Augenblick nichts sehnlicher wünschte als eine kalte Dusche und danach ein Bett…
ENDE
[1] Siehe John Sinclair Taschenbuch Nr. 73 103 »Die Brut hinter der Mauer«
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