06 - Der Schattenkrieg
paramilitärische Teams, wahrscheinlich jene Söldner, die noch in den Bergen operieren. Möglicherweise sabotierten sie mit der stillschweigenden Billigung der Flugplatzwächter die Maschinen. Ich kann mir vorstellen, daß sie die Wächter beim Rückzug töteten und in den Treibstofflagern Sprengfallen anbrachten, um einen ganz anderen Ablauf vorzutäuschen. Eine geschickte Operation, aber eine, mit der wir fertiggeworden wären, hätte es nicht das Attentat von Bogotá gegeben.« Cortez holte tief Luft und fuhr dann fort:
»Der Angriff auf die Amerikaner war ein Fehler, Jefe. Er zwang die Amerikaner, eine Störaktion zu einer Kampagne zu erweitern, die nun unsere Aktivitäten direkt bedroht. Sie haben jemanden in unserer Organisation umgedreht und machen sich den Ehrgeiz oder Zorn eines unserer hochgestellten Kollegen für ihre Rache zunutze.« Cortez sprach in dem ruhigen, vernünftigen Ton, den er früher in Kuba angeschlagen hatte, wenn er seine Vorgesetzten informierte. Menschen wie Escobedo, der zur Unbeherrschtheit neigte, respektieren Selbstbeherrschung. Indem Cortez Escobedo wegen des Anschlags auf die Amerikaner zurecht- wies, erhöhte er nur seine Glaubwürdigkeit. »Die Amerikaner haben das dummerweise selbst behauptet, vielleicht in dem plumpen Versuch, uns irrezuführen, als sie von einem ‹Bandenkrieg› innerhalb der Organisation sprachen. Nur ein Trick, Jefe, man vertuscht die Wahrheit mit der Wahrheit. Eine in Geheimdienstkreisen wohlbekannte Finte.« Cortez improvisierte locker und hatte sich diese Sache gerade aus den Fingern gesogen, fand aber, daß sie gut klang - und ihre Wirkung tat. Escobedo schaute aus den dicken Wagenfenstern und versuchte, diesen neuen Gedanken zu verarbeiten.
»Ich frage mich nur, wer…«
»Darauf kann ich Ihnen keine Antwort geben. Besprechen Sie das heute abend mit Señor Fuentes.« Cortez mußte sich alle Mühe geben, um keine Miene zu verziehen. Trotz seiner Gerissenheit und Rücksichtslosigkeit war el Jefe so manipulierbar wie ein Kind.
Die Straße verlief parallel zu einer Bahnlinie in einer Talsenke; unter taktischen Gesichtspunkten keine günstige Position, denn man war von hochgelegenen Punkten aus schon von weitem auszumachen. Nun nahmen die Straßenschilder eine neue und unheilvolle Bedeutung an. Felix hatte den Wagen genau studiert und wußte, daß das MG-Geschoß 7.62 der Nato die Fenster nicht durchschlagen konnte und daß die Kevlar-Platten in den Türen und überm Motor unter günstigen Umständen auch größere Kaliber aufhielten. Dennoch war er nervös, ließ sich aber nichts anmerken. »Wer könnte das wohl sein…?« fragte Escobedo, als der Mercedes um eine weite Kurve fuhr. Es waren fünf aus zwei Mann bestehende Teams, Schütze und Ladeschütze. Bewaffnet waren sie mit westdeutschen MG3, wie sie das kolumbianische Militär gerade eingeführt hatte, weil sie die gleiche Munition vom Kaliber 7.62 mm verschossen wie das ebenfalls westdeutsche Standard-InfanterieGewehr G3. Die fünf Waffen, die eine Schußleistung von 1200/min, also zwanzig Geschosse pro Sekunde hatten, waren aus einem Armeedepot gestohlen worden. Die MG-Positionen waren dreißig Meter voneinander entfernt. Zwei griffen den führenden BMW an, zwei den anderen, der die Nachhut bildete, und nur eines schoß auf den Mercedes. Cortez’ Vertrauen in die Panzerung war nicht unbegrenzt. Er schaute auf die Uhr am Armaturenbrett. Genau pünktlich.
An den Läufen der MG waren konische Aufsätze angebracht, genannt Mündungsfeuerschutz, die verhindern sollen, daß der Schütze vom Mündungsfeuer seiner eigenen Schüsse geblendet wird. Die Schützen eröffneten gleichzeitig das Feuer, und am rechten Straßenrand erschienen fünf meterlange grellweiße Flammen. Leuchtspurgeschosse ermöglichten es den Schützen, ihr Feuer ins Ziel zu führen, ohne das Visier benutzen zu müssen.
Keiner der Insassen hörte den Lärm der Schüsse, aber alle vernahmen die Einschläge zumindest jene, die noch lange genug lebten.
Escobedos Körper wurde stocksteif, als er sah, wie eine Reihe gelber Leuchtspurgeschosse sich in den führenden BMW bohrte. Das Heck schleuderte, und dann kam der Wagen von der Straße ab und kippte um wie ein Spielzeugauto. Kurz davor hatten Cortez und er rund zwanzig Geschosse in ihren Wagen einschlagen gespürt. Es klang wie Hagel auf einem Blechdach. Cortez’ Fahrer, geschickt und reaktionsschnell, wich mit dem langen Mercedes dem BMW schleudernd aus und trat gleichzeitig das Gaspedal
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