06 - Geheimagent Lennet unter Verdacht
hat. Soll er vor der Tür warten?«
»Nein, er soll in den Hof fahren.«
Lennet eilte im Laufschritt in die Avenue Henri-Martin zurück. Weit öffnete er das Tor, vergewisserte sich, daß sich seine Pistole leicht aus dem Halfter lösen ließ, und blieb im Hof stehen.
Der Rolls-Royce ließ nicht lange auf sich warten. Er fuhr durch die Toreinfahrt ein und hielt im Hof am Fuß der Freitreppe. Lennet, der seine Wildlederjacke ausgezogen hatte und seinen Staubwedel unterm Arm hielt, schloß das Tor ab und kam zurück. Ein riesiger Fahrer mit Mütze, und feierlich, wie ein Chauffeur eines Rolls-Royce es nur sein kann, stand vor dem Auto.
»Nicht übel, dieser Schlitten", meinte Lennet und musterte die graue Schönheit mit den eleganten Linien. Für einen Autofan war das sicher ein aufregender Schlitten.
»Komm rein. Die Chefin hat dir ein paar Anweisungen zu geben.«
»Ich möchte Sie bitten, Monsieur, was mich betrifft, jede vertrauliche Anrede zu unterlassen.«
»Meinetwegen, ich unterlasse es.«
Lennet führte den Chauffeur zuerst in den großen Salon und dann über die Personaltreppe in die Küche. Schließlich öffnete er ihm höflich die Tür zum Keller.
»Was hat das alles zu bedeuten? Soll das ein schlechter Scherz sein? Mademoiselle Schneider wird mich doch bestimmt nicht im Keller erwarten!«
»Nein, aber Sie werden dort auf sie warten", erwiderte Lennet, warf seinen Staubwedel weg und zog die Pistole. »Es tut mir leid, Ihnen einige unangenehme Stunden bereiten zu müssen.
Ich verspreche Ihnen aber, daß ich versuchen will, für Sie eine Entschädigung herauszuschlagen, die sich sehen lassen kann.
Leider muß ich mir Ihren Rolls Royce ausleihen, und da Sie ihn mir höchstwahrscheinlich nicht gutwillig überlassen hätten...
Los, hinunter mit Ihnen! Zieren Sie sich nicht so lange. Und lassen Sie mir Ihre Mütze da. Auch die werde ich brauchen.«
Wie erstarrt betrat der Mietwagenfahrer den Keller. Lennet schloß hinter ihm die Tür ab. Leise drang nun eine hohle Stimme bis zu ihm: »Ich flehe Sie an, gehen Sie wenigstens etwas schonend mit dem Wagen um.«
In diesem Augenblick vernahm Lennet einige kräftige Schläge am Tor.
Er eilte nach oben. Auf dem Bürgersteig standen drei Männer in einer Art Uniform. Lennet hatte sie noch niemals gesehen, aber er hatte sie eigentlich erwartet. Thereses Botschaft tat ihre Wirkung. Der Feind biß den Köder an.
»Elektrizitätswerke", sagte einer von ihnen. »Überprüfung der Leitungen.«
Da haben Sie sich aber einen schlechten Tag ausgesucht", antwortete Lennet. »Wir sind gerade beim Einziehen, und der Strom ist noch nicht wieder eingeschaltet.
»Aber Sie haben doch den Antrag gestellt?« fragte der Mann.
»Ja", log Lennet.
»Dann stimmt es ja", meinte der Mann.
Sie traten ein. Alle drei trugen kleine Köfferchen voller Werkzeug und Instrumente, deren Zweck Lennet unschwer erraten konnte.
Entschlossen, ihnen die Arbeit zu erleichtern, führte er sie so gleich in den großen Salon.
»Der Chef erwartet heute abend Gäste", erklärte er. »Da es keinen Strom gab, habe ich meinen Nachmittag damit verbracht, Kerzen in die Leuchter zu stecken.«
»Wo ist der Zähler?« fragte einer der Männer.
Lennet führte ihn in eine Abstellkammer. Der Mann reichte ihm eine Taschenlampe: »Leuchten Sie mir mal.«
Dann begann er die Sicherungen durchzusehen. Lennet glaubte beobachtet zu haben, daß er zwei von ihnen beschädigte, um neue einzuschrauben. Er schraubte fest, schraubte los, schraubte wieder fest. Das dauerte eine gute Viertelstunde.
»Was machen eigentlich Ihre Kollegen inzwischen?« erkundigte sich Lennet höflich.
»Sie überprüfen alle die Leitungen im Erdgeschoß dieses Gebäudes.«
»Ich wußte gar nicht, daß man einen Stromkreis überprüfen kann, ohne einen Strom hindurchzuleiten.«
»Ein elektronisches Verfahren. Alles wird ständig moderner.
Man sollte es nicht für möglich halten.«
Dann wollte der Mann den ersten Stock sehen. Dort probierte er alle Schalter aus, und das erlaubte ihm, festzustellen, daß alle Zimmer zwar möbliert, aber unbewohnt waren. Schließlich kehrte er, von Lennet gefolgt, in den Salon zurück, wo sich seine beiden Kameraden in den Sesseln rekelten.
»Wie steht's?« fragte er.
»Alles in Ordnung.«
»Na gut. Morgen bekommen Sie Ihren Strom.«
Kaum waren die drei Männer verschwunden, als Lennet schon den Raum durchsuchte.
Er begann damit, alle Sessel anzuheben und dann unter die Sofas zu kriechen. Unter
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