06 - Geheimagent Lennet unter Verdacht
Hauptmann fuhr mit seinen Fingern über die dicke lederne Aktentasche hin, die er auf den Knien hielt und zwinkerte. Ivor lachte zufrieden auf.
»Meine junge Kollegin", sagte er zu Constanze, »Pinocchio ist der beste Agent, den ich jemals hatte. Er läßt sich auf Heller und Pfennig bezahlen und ist ziemlich gierig, aber mit ihm hat man niemals Ärger. Er bekleidet eine recht bedeutende Stellung beim Militärischen Sicherheitsdienst. Da ihm diese Stellung nicht erlaubt, sich interessante wissenschaftliche oder wehrtechnische Informationen unmittelbar zu beschaffen, hat er, um in ihren Besitz zu gelangen, ein gut funktionierendes kleines Spionagenetz aufgebaut. Was sagen Sie dazu? Und das schönste ist, er soll die undichten Stellen im französischen Geheimdienst ausfindig machen, die sein eigenes Werk sind.«
»Großartig", bemerkte Constanze.
»Gar nicht so großartig", widersprach Sourcier bescheiden.
»Ich bin bereits mit den Sicherheitsmaßnahmen innerhalb des Verteidigungsministeriums betraut. In dieser Eigenschaft habe ich erfahren, daß der Verbindungsstab für Wehrwissenschaft über Informationen verfügt, die Sie interessieren würden. Daher mein Spionagenetz. Was nun meine derzeitige Aufgabe betrifft, so war es völlig natürlich, daß man sie mir anvertraute. Es kam darauf an, einen Verdächtigen zu finden, und dafür schien mir der junge Geheimagent des Französischen Nachrichtendienstes besonders geeignet. Leider wehrte er sich energisch, das schwarze Schaf zu spielen.«
»Können Sie uns darüber berichten, was sich von dieser Seite her ereignete?« fragte Ivor.
»Der junge Leutnant, der keineswegs ein Dummkopf ist, hat eine eigene Gegenuntersuchung eingeleitet. Sie führte ihn auf Arthurs Spur. Sogar in unserer Spionagezentrale ist er eingedrungen. Als ich ihn dort auftauchen sah - ich habe ihn selbstverständlich sofort wiedererkannt -, habe ich mich gefragt, ob meine Laufbahn und unsere fruchtbare Zusammenarbeit nicht schon bald ihr Ende finden würden. Denn der schlaue Kerl hatte mich ebenfalls wiedererkannt. Glücklicherweise ist es mir gelungen, sein Mißtrauen einzuschläfern. Ich habe ihm zu verstehen gegeben, daß das Unternehmen, dem er soeben auf die Spur gekommen war, zum Besten meines eigenen Nachrichtendienstes aufgezogen wurde. Anstelle des Dokuments, das ich Ihnen zukommen lassen wollte, habe ich ein leeres Blatt eingelegt. Um es kurz zu machen, dem kleinen Schlaukopf vom F.N.D. haben wir ordentlich Sand in die Augen gestreut. Einen Augenblick habe ich sogar daran gedacht, ihn laufenzulassen. Aber die Gefahr war doch zu groß. Bestimmt hätte er seinen Vorgesetzten Bericht erstattet, und ein gewisser Hauptmann Montferrand hätte Lunte gerochen. Ich habe mir gesagt, nicht jeden Tag bekommt man einen Agenten des F.N.D. in die Hände, den man gründlich ausquetschen kann.«
Sourcier, der neben Constanze saß, beugte sich an ihr vorbei nach vorn und klopfte dem Attache aufs Knie.
»Ich habe sofort eine große Schau aufgezogen. Die eine Hälfte meiner Leute sollte so tun, als ob sie den Leutnant zum F.N.D. zurückbrächte. Und dann haben meine anderen Agenten ihn überfallen, zusammengeschlagen und scheinbar ins Ausland entführt. Im allgemeinen genügt das, um die Zunge eines Grünschnabels seines Schlages zu lösen.«
»Dieser Plan war fabelhaft", sagte Ivor anerkennend.
»Alles war bis ins kleinste ausgedacht. Einer der Leibwächter hatte sogar eine Patrone etwas schief in sein Magazin eingeführt, damit seine Maschinenpistole Ladehemmung hätte.
Unser junger Freund hat sich, wie es scheint, wie ein Wilder verteidigt, und einer unserer Scheintoten mußte ihm auch noch ein Bein stellen, um mit ihm fertig zu werden. Aber schließlich ist es uns gelungen, ihn an Sie auszuliefern. Für alles übrige bin ich nicht mehr verantwortlich. Ich habe nachgeprüft, was Sie mir mitgeteilt haben. Wie es scheint wurde er vom Überfallkommando aufgefunden, als er schon tot war. Wer hat auf ihn geschossen? Sie?«
»Nein", antwortete Ivor finster. »Mich hat er schön übers Ohr gehauen. Constanze hat ihn zur Strecke gebracht.«
»Mademoiselle, meine Glückwünsche", sagte Sourcier ernst.
»Ich habe sie nicht verdient, Monsieur", antwortete Constanze. »Er hat es ganz einfach geschehen lassen.«
»Sehr zuvorkommend von ihm", lachte Sourcier.
»Und jetzt, Pinocchio", Ivor wollte das Thema wechseln, »was ist nun mit dieser äußerst geheimen Bandaufnahme?«
Mit einem verschlagenen
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