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06 - Prophet der Apokalypse

06 - Prophet der Apokalypse

Titel: 06 - Prophet der Apokalypse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael J. Parrish
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Rituals streckte er seine Hand hinein, und sie wurde für alle Augen unsichtbar!«
    Diego de Landa schauderte. »Das hört sich nach einem Zauber an, über den Oxlaj dank des Armreifs gebieten konnte. Oder trat das Phänomen nach seinem Tod noch einmal auf?«
    Ts’onot verneinte.
    Diego nickte. »Dann gibt es nur einen Weg, um dem Geheimnis näher zu kommen: Einer von uns beiden muss den Armreif anlegen.«
    Ts’onot erbleichte, und Diego fragte: »Wovor hast du Angst?«
    Der Maya lacht kurz und freudlos. »Hast du mir denn nicht zugehört? Oxlaj veränderte sich völlig in seinem Wesen, nachdem er den Reif angelegt hatte.«
    »Und du glaubst, dass das mit jedem Träger passiert? Vielleicht war diese Veranlagung schon vorher in Oxlaj.«
    »Du hast ihn nicht gekannt. Über viele Jahre hinweg war er mir wie ein zweiter, manchmal sogar wie ein besserer Vater. In meiner Jugend gab es zwischen Ah Ahaual und Ts’onot viele Missverständnisse, die ihr Verhältnis trübten.«
    Diego fasste sein Gegenüber scharf ins Auge. Er hatte schon häufiger festgestellt, dass Ts’onot von sich und seinem Vater in der dritten Person sprach, wenn es um ihre Beziehung ging. Als würde ihn das besser gegen schmerzliche Erinnerungen wappnen.
    »Ich behaupte ja nicht, dass Oxlajs Veränderung nichts mit dem Reif zu tun hatte. Doch meine These lautet: Die Macht, die der Armreif seinem Träger verleiht, hat ihn korrumpiert – nicht der Reif an sich. Denn andernfalls müssten wir ihm einen eigenen Willen zugestehen. Hältst du das für denkbar?«
    Ts’onot zuckte mit den Achseln. »Ich weiß es nicht.« Doch seine Miene verriet, dass Diegos Worte bei ihm auf fruchtbaren Boden fielen. »Das hieße«, sagte er nach einer Weile, »dass derjenige, der sich den Reif anlegt, mit seinem Leben zufrieden und ohne Machthunger sein muss.«
    »Das wäre eine wichtige Voraussetzung«, stimmte der ehemalige Padre zu. Unwillkürlich war ihm ein Gleichnis aus der Bibel in den Sinn gekommen: die Versuchung Christi durch den Teufel.
    »Das hieße aber auch«, fuhr Ts’onot fort, »dass die Wahl, wer von uns beiden das Wagnis eingehen sollte, eindeutig ist.«
    »Ich verstehe nicht …«
    »Ich stehe bereits an der Spitze der Macht«, erklärte Ts’onot. »Deshalb bin ich gewappnet gegen alle Versuchungen, noch höher aufzusteigen.«
    »Und du meinst, ich hätte solche Ambitionen?«, protestierte Diego de Landa.
    Ts’onot legte ihm in einer freundschaftlichen Geste die Hand auf die Schulter. »Nicht bewusst, ganz sicher nicht«, sagte er. »Aber von Oxlaj hätte ich das auch nie gedacht – und trotzdem ist es geschehen. Glaub mir, es wäre unverantwortlich, dich überhaupt erst in Versuchung zu führen. Ich werde den Reif anlegen.«
    ***
    Als wäre er so zerbrechlich wie eine Eierschale, hob Ts’onot den längsseits dreigeteilten Ring von der gepolsterten Unterlage auf, wo er geruht hatte. Das Gewicht verblüffte ihn immer wieder aufs Neue. Der Reif aus Silber und Jade wog so schwer, dass Ts’onots Armmuskeln deutlich hervortraten, während er ihn mit zwei Händen trug.
    Das Gespräch mit Diegodelanda hatte ihn weiter gebracht als die jahrelangen einsamen Grübeleien davor, wenn er versucht hatte, sein Lomob ganz gezielt auf den Gegenstand anzusetzen.
    »Ist er so schwer?«, fragte der Freund.
    Ts’onot nickte. »Er muss aus anderen Materialien bestehen, als es den Anschein hat.«
    »Lass mich ihn halten«, verlangte der Spanier, der zum Maya geworden war. »Nur kurz. Damit ich mir ein Bild davon machen kann.«
    Und Ts’onot bewies, dass er die Loyalität seines Freundes nie hatte anzweifeln wollen: Er übergab den geteilten Reif an Diegodelanda, der sich von dem immensen Gewicht überzeugte und ihn sogleich wieder an Ts’onot zurückgab. »Ein Gegenstand von vergleichbarer Größe und Schwere ist mir nie untergekommen«, sagte er.
    Ts’onot nickte. »Ich kenne nur den umgekehrten Fall.«
    Diegodelanda sah ihn fragend an.
    »Der Himmelsstein«, sagte der Prophet. »Er wog fast nichts.«
    »Ich hätte ihn gerne einmal gesehen.«
    Ts’onot verzichtete auf den Hinweis, dass der Himmelsstein in seinem Dunkelfeld ohnehin nicht zu sehen, sondern nur zu ertasten war. »Ich werde es jetzt tun«, sagte er. »Wünsch mir Glück!«
    Diegodelanda seufzte. »Falls deine Befürchtungen zutreffen, wünsche ich uns allen Glück.«
    Die Bemerkung brachte Ts’onot beinahe wieder ins Wanken. Doch dann legte er den offenen Reif wie eine Spange um sein linkes

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