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06 - Prophet der Apokalypse

06 - Prophet der Apokalypse

Titel: 06 - Prophet der Apokalypse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael J. Parrish
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Handgelenk – und alles Weitere geschah ohne sein Zutun.
    Als hätte es nur dieses Anstoßes bedurft: Der Reif schloss sich mit einem Geräusch, als würde glühendes Metall in ein Gefäß mit Wasser getaucht. Aus den offenen Enden der drei Ringe schossen Verbindungsstücke, die eine lückenlose Rundung entstehen ließen.
    Ts’onot keuchte auf. Für einen winzigen Moment hatte er den Eindruck, sein Geist würde in vollkommene Leere tauchen. Er wankte. Doch bevor Diegodelanda reagieren und ihn stützen konnte, hatte er sich schon wieder in der Gewalt.
    Staunend blickte er auf sein Handgelenk, an das sich der Armreif so fest schmiegte, dass man nicht einmal mit einem Fingernagel darunter fahren konnte. Und jetzt?, dachte er . Wie geht es nun weiter?
    Erst in diesem Moment wurde ihm richtig klar, dass er sich zu etwas hatte hinreißen lassen, das wahrscheinlich zeitlebens nicht mehr rückgängig zu machen war.
    »D-das«, stammelte Diegodelanda, »hatte ich nicht … erwartet!« Die Worte trugen nicht zu Ts’onots Beruhigung bei. So wenig wie die folgenden: »Bitte verzeih mir, dass ich dich dazu verleitet habe!«
    Er wandte sich zu seinem Freund um, doch bevor er etwas erwidern konnte, ging etwas Gespenstisches mit dem Reif vonstatten. Seine äußeren Ringe gerieten in Bewegung, als würden unsichtbare Finger daran drehen. Als seine eigene Bewegung endete, verharrten auch die beiden Ringe.
    Sekundenlang herrschte atemlose Stille. Dann hörte er Diegodelanda sagen: »Dreh dich ein Stück zurück! Ich glaube, ich erkenne, was geschieht!«
    Ts’onot befolgte die Worte des Freundes, ohne über deren Sinn nachzudenken. Und während er sich bewegte, begannen sich auch die Ringe wieder zu drehen. Bis die Einkerbungen an einer Stelle eine Art Pfeilspitze bildeten.
    »Halt an! Siehst du das?«, fragte Diegodelanda.
    Ts’onot nickte leicht, hielt ansonsten seine Starre. Die spitze Seite des länglichen Dreiecks wies in Richtung des Fensters.
    Diegodelanda ging hin und spähte nach draußen. Dann winkte er Ts’onot zu sich. Der Maya bewegte sich zögernd, denn sofort setzten wieder die Ringbewegungen ein.
    »Ignoriere es«, riet ihm Diegodelanda. »Komm her und bewege den Arm so, dass sich der Pfeil wieder bildet.«
    Ts’onot drehte sich ein wenig und bald hatten die Elemente sich wieder eingependelt.
    Diegodelanda nickte, als hätte er nichts anderes erwartet. »Schau doch – die Pfeilspitze zeigt genau zur großen Tempelpyramide! Ich schätze, wir sind dem Geheimnis bereits auf der Spur!«
    ***
    Sie stiegen die Stufen empor, die zum Gipfel der Pyramide führten. 364 Stufen – so viele wie ein Jahr Tage hatte.
    Oben angekommen, sichtete Ts’onot ein paar Priester, die er freundlich, aber bestimmt aufforderte, das Monument zu verlassen. Wie erwartet stellten sie keine Fragen, sondern gehorchten. Wenig später hielten sich der Prophet und sein fremdländischer Freund allein in luftiger Höhe auf.
    Ts’onot schlug den Ärmel der Tunika zurück, unter dem er den Armreif verborgen hatte. Das auffällige Verhalten der einzelnen Elemente hätte den Argwohn zufälliger Betrachter geweckt.
    »Wie regiert der Reif nun?«, fragte Diegodelanda und trat näher.
    Ts’onot winkelte erneut den Arm an, drehte sich und wartete ab, bis sich der Richtungsgeber – denn nichts anderes stellte das Dreieck dar – aus den Kerben aller drei Ringe gebildet hatte. Er zeigte in Richtung des Blutsteins.
    Langsam ging er darauf zu. Dabei überkam ihn die Erinnerung an Oxlajs letzte Opferzeremonie, und er musste sich zusammenreißen, um sie abzuschütteln.
    Diegodelanda war dicht neben ihm. »Wo hat Oxlaj gestanden, als der Zauber erwachte?«, fragte der ehemalige Mönch.
    »Bei der letzten Zeremonie hatte er den Blutstein versetzen lassen«, antwortete Ts’onot. »Nach seinem Tod ließ mein Vater ihn wieder an die alte Stelle rücken. Die Stelle ist dort, unmittelbar am Stein …«
    Ts’onot überwand die letzte Distanz. Und dann geschah es. Vor ihm begann sich die Oberfläche des Blutsteins zu kräuseln wie Wasser. Fasziniert trat er noch näher heran und streckte die Rechte aus. Nur kurz zögerte er, dann berührten seine Finger den flimmernden Stein – und drangen in ihn ein!
    »Was tust du?«, klang hinter ihm Diegodelandas Stimme auf. »Sei vor- ahh! «
    Die Warnung ging in einen Schrei über und im nächsten Moment spürte Ts’onot einen Anprall in seinem Rücken. Er wurde vorwärts gestoßen, auf die unmögliche Wasseroberfläche

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