06 - Prophet der Apokalypse
schon auf der Jagd.«
Sie stieß die Luft aus. »Herrje, das liegt zwanzig Jahre zurück!«
Tom ließ seinen Blick über die wellige Landschaft jenseits des Waldes schweifen. Keine Straße, keine Gebäude, keine Zäune. Nur offenes Land mit ab und zu einem Baum oder Strauch. »Okay, dann auf gut Glück. Hältst du den Himmel im Auge?«, bat er.
»Nach Polizei-Hubschraubern?«
Tom zuckte mit den Achseln. »Ich will den Teufel nicht an die Wand malen, aber …« Er ließ den Geländewagen zwischen den Eichen hervorrollen. Je weiter er sich von dem Wäldchen entfernte, umso mehr beschleunigte er.
Aber das große Manko blieb, dass er eigentlich kein richtiges Ziel hatte. Erst mal nur weg … Ein Navigations-System wäre die Lösung gewesen. Aber ohne das waren sie mehr oder weniger ein Spielball des Zufalls.
Als es dämmerte, verzichtete Tom so lange wie möglich darauf, die Scheinwerfer einzuschalten. Inzwischen hatten sie mehrere Feldwege gekreuzt, waren manchen auch mal gefolgt, aber nie für lange. In großer Entfernung hatten sie auch das eine oder andere Gehöft passiert.
»Wir sollten uns irgendwo einen Platz zum Schlafen suchen«, sagte Maria Luisa.
»Vielleicht eine Kirche?«, schlug Tom Ericson launig vor. »Zur Not auch eine verlassene?«
Sie schlug ihm von hinten in den Nacken. Er protestierte nicht einmal.
»Diesmal entscheidest du.« Ein dumpfes Rumoren übertönte kurz den Motor.
»Haben wir Raubtiere an Bord?«, scherzte Tom.
»Das war mein Magen.«
Auch Tom verspürte Hunger, aber fast noch mehr Durst. Die Umstände hatten es nicht zugelassen, Proviant mitzunehmen, als sie sich absetzten.
Es wurde jetzt rasch dunkel.
»Vielleicht solltest du jetzt besser das Licht anschalten«, meinte Maria Luisa. »Ich fürchte, sonst fallen wir noch mehr auf.«
»Du hast recht.« Tom nickte und griff nach dem Schalter. Die Scheinwerfer flammten auf. Vor ihnen tauchte ein von Traktoren ausgefahrener Weg zwischen zwei Wiesen auf. Darauf hielt er zu.
Doch bevor er ihn erreichte, krachte es fürchterlich. Die Haube des Land-Rovers senkte sich ab, nachdem er mit einem Ruck zum Stehen gekommen war. Die Vorderräder drehten durch, hatten keinen Bodenkontakt mehr. Das ganze Fahrzeug hing schief.
Tom Ericson fluchte.
»Was ist passiert?«, fragte Maria Luisa, während sie sich um Alejandro kümmerte, der durch den plötzlichen Ruck nach vorn gerutscht war. Nur seine Körpermasse verhinderte, dass er im Fußraum verschwand.
»Das kann ich dir sagen, nachdem ich ausgestiegen bin und nachgeschaut habe.« Tom wuchtete die Tür auf und hangelte sich nach draußen.
Als er Minuten später den Kopf wieder durch die offene Tür steckte, war selbst er mit seinem Latein am Ende. »Ich kann’s nicht richtig erkennen, aber es könnte ein Achsbruch sein«, sagte er. »Verdammt! Wahrscheinlich sind wir in den einzigen Graben im weiten Umkreis gerauscht. Shit!« Er trat gegen einen der Reifen.
»Ist doch halb so schlimm«, versuchte ihn Maria Luisa zu beruhigen. »Wir schlafen im Wagen und gehen morgen zu Fuß weiter. Wenn die Polizei nach dem Range-Rover fahndet, hätten wir uns sowieso davon trennen müssen.«
Tom hätte sie küssen können. Die wenigsten Frauen hätten so patent reagiert.
Plötzlich fragte Maria Luisa: »Was ist das?«
Er lauschte ebenfalls. »Motorenbrummen.« Er versuchte die Richtung zu lokalisieren.
»Die Polizei?«
Er zuckte mit den Schultern, fast nicht mehr gewillt, weiter davonzulaufen.
Da sagte Alejandro ein einziges Wort, und das nicht einmal an jemand Bestimmten gerichtet: »Traktor.«
Tom sah erst ihn, dann seine Schwester an. »Was hat er gesagt?«
»Er hat ›Traktor‹ gesagt.«
Tom grinste. »Er hat recht. Was meinst du; ob das ein Bauer auf dem Rückweg von seinen Feldern ist?« Weiter suchten seine Augen nach der Quelle des anschwellenden Lärms.
Kurz darauf hielt ein Schlepper auf dem nur ein paar Meter entfernten Weg. Eines seiner Scheinwerferaugen war defekt. Die zum Land-Rover weisende Seitentür wurde aufgeklappt und die Silhouette einer schlanken Frau mit Lockenkopf kam zum Vorschein.
»Panne?«, rief sie mit so tiefer Stimme, dass Tom ins Zweifeln kam, ob er tatsächlich eine Frau oder doch einen Mann mit Langhaar-Frisur vor sich hatte.
»Leider«, gab er zurück. »Achsbruch. Ich weiß, wir hätten nicht querfeldein fahren sollen. Aber wir haben uns verirrt und waren auf der Suche nach einer Straße …«
»Wohin wollt ihr?«
Tom improvisierte. »Nach
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