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06 - Weihnacht

06 - Weihnacht

Titel: 06 - Weihnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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und Hiller hatten nichts bekommen; sie mochten sich enttäuscht fühlen, ließen aber nichts merken. Nun gab ich dem ersteren die beiden Depositenscheine und erklärte ihm, was für eine Bewandtnis es mit ihnen habe und daß dies das Geld für die ihm und Watter geraubten Nuggets sei. Er fiel vor freudigem Schreck beinahe um und floß dann von Dankbarkeit förmlich über.
    Dann bekam Reiter seinen Sichtwechsel und sein schriftliches Eingeständnis des Mordes. Ich mußte ihm natürlich erzählen, wie wir zu den beiden Schriftstücken gekommen waren. Hierauf sagte ich ihm, daß nicht er, sondern Sheppard der Mörder Finells sei; der Prayer-man habe sich hinter ihn gestellt und zu gleicher Zeit mit ihm geschossen, aber auf Finell gezielt, um ihn wegen einer von ihm zu befürchtenden Anzeige unschädlich zu machen. Selbstredend fügte ich hinzu, daß ich das von dem sterbenden Mörder erfahren hatte.
    „Dieses letztere ist mir kostbarer als alles andere, auch als die Nuggets!“ rief der Beschenkte. „Gott sei Preis und Dank, denn nun kann ich endlich ruhig und ohne Vorwürfe schlafen! Ich habe kein Menschenleben auf dem Gewissen; das gibt neue Kraft und Mut und Zuversicht; ich bin von jetzt an ein ganz anderer Mensch! Und solchen Wohltätern haben wir aufgelauert, um ihnen abzunehmen, was doch nicht uns, sondern ihnen gehörte! Denn wenn wir auch jetzt noch nicht einsehen wollten, daß Winnetou das erste Recht auf das Finding-hole besaß, würden wir selbst an unserm eigenen Verstand zweifeln müssen!“
    „Wir haben uns über Ihr Verhalten gar nicht gewundert“, bemerkte ich ihm, „denn wir haben die schädliche Wirkung des Golddurstes noch in ganz andern Fällen kennen gelernt. Der Mensch hat keine schlimmeren Feinde als seine eigenen Leidenschaften. Das wird z.B. auch Mr. Hiller jetzt erkennen, wenn ich ihm beweise, daß er durch sein unfreundliches Verhalten gegen mich sich selbst am schwersten geschädigt hat. Ich habe ihm nämlich auch etwas zu bescheren. Hier, Mr. Hiller, nehmen Sie!“
    Ich gab ihm den Lederbrief, den Yakonpi-Topa an seine Frau geschrieben hatte. Er öffnete ihn, sah bald ihn und bald mich erstaunt an und sagte dann:
    „Das ist ja der von mir unterschriebene Indianerbrief! Wo haben Sie ihn her, Mr. Shatterhand! Den könnte Ihnen doch nur meine Frau gegeben haben, und ich denke, Sie sind gar nicht mit ihr in Berührung gekommen!“
    „Das habe ich nicht behauptet, sondern Sie haben es daraus geschlossen, daß ich nicht davon sprach. Ihr Verhalten war nicht geeignet, uns gegen Sie gesprächig zu machen. Es hat kein Mensch diesen Brief lesen können, und erst als ihre Frau ihn mir zeigte, erfuhr sie, um was es sich handelte. Wir hatten ganz andere Dinge vor, wurden aber von ihr und Ihrem Sohne gebeten, uns Ihrer anzunehmen, daß wir alle anderen Pläne aufgaben und schleunigst nach dem Westen ritten, um Ihre Befreiung zu wagen. Wir, nämlich Winnetou, Rost und ich, ritten nicht direkt zu den Kikatsas, weil wir erfuhren, daß diese gegen die Schoschonen gezogen seien; wir trafen unterwegs mit ihnen zusammen, und es gelang uns, bei Yakonpi-Topa nicht bloß Ihre Befreiung zu bewirken, sondern auch das Versprechen zu erhalten, daß er Ihnen Ihr ganzes Eigentum wiedergeben werde. Diese unsere Bemühungen und Erfolge kann der Umstand, daß Sie inzwischen entkommen waren, wohl nicht wertloser machen. Als ich Sie dann traf, verschloß Ihr Benehmen mir natürlich den Mund. Hätten Sie mir meinen Glauben nicht in so schroffer Weise angetastet, so wäre Ihnen schon damals die größte Freude bereitet worden, welche Ihnen überhaupt bereitet werden kann. Ihre Frau hat mir nämlich noch einen Brief und eine Zeitung für Sie anvertraut. Ich übergebe Ihnen hiermit beides als ein Weihnachtsgeschenk von den Ihrigen und als einen neuen Beweis, daß Gottes Güte sich selbst des Abtrünnigen erbarmt. Lesen Sie jetzt! Und wenn Sie dann auch Ihren bisherigen Standpunkt beibehalten wollen, so beneide ich Sie wahrlich nicht um das, was Sie mir vorgeworfen haben, nämlich, daß Sie drüben im Vaterlande mehr, viel mehr gewesen seien, als ich gewesen bin!“
    Ich gab ihm die Zeitung und den Brief seiner Frau, den sie uns in das Hotel gebracht hatte. Er las. Als er fertig war, ließ er beides fallen, vergrub das Gesicht in den Händen und weinte, weinte laut. Wir ließen ihn gewähren und sagten nichts. Ich hatte hart gesprochen; aber meine Absicht dabei war eine gute gewesen. Es dauerte lange Zeit, ehe er das

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