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06 - Weihnacht

06 - Weihnacht

Titel: 06 - Weihnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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geduldig gewartet, bis sie kam, und sich dann ebenso darüber gefreut, als ob er selbst der Verfasser, und zwar ein mittelloser Verfasser sei. Ich erinnere mich noch heut mit Vergnügen einer Zurechtweisung, die ein reicher Pflanzer, dessen Knaben ich aus dem Mississippi gezogen hatte, von ihm erfuhr. Dieser Mann wollte, weil er mich wegen meines abgetragenen Prärieanzuges für einen armen Teufel hielt, mich mit einer Geldsumme belohnen; Winnetou aber trat sofort zwischen ihn und mich, blitzte ihn mit seinen Augen zornig an und sagte:
    „Kann man das Leben eines Menschen mit Geld bezahlen? Ich bin Winnetou, der Häuptling der Apatschen, und dieser Gentleman ist Old Shatterhand, mein Freund. Er könnte Millionen besitzen, wenn er sie von mir annähme; er mag sie aber nicht. Und du willst ihm diese armseligen Dollars schenken? Stecke sie ein; du brauchst sie selbst!“
    Also ich war mit Winnetou an den Missouri gekommen, und zwar nach St. Joseph, wo es damals fünf Zeitungen, darunter eine deutsche, gab und die Verbindung mit St. Louis, respektive den Redakteuren der dortigen Zeitungen, eine so gute war, daß ich auf Erfüllung meiner schriftstellerischen Wünsche nicht lange zu warten brauchte, Winnetou hatte sich da von mir getrennt, um, wie bereits gesagt, Nuggets zu holen, denn wir hatten die Absicht, über den Mississippi nach dem Osten zu gehen, wozu wir natürlich Geld brauchten. Das Ziel des Häuptlings kannte ich nicht; er hatte nur gesagt, daß er sich nach Verlauf von zwei Wochen wieder bei mir einstellen werde.
    St. Joseph war damals der westlichste Endpunkt der Hannibal–St-Joseph-Eisenbahn und hatte unter seinen 7.000 Einwohnern ungefähr 2.000 Deutsche. Es bedurfte nur der kurzen Benachrichtigung, daß Old Shatterhand da sei, so kamen die Besitzer der Newspapers, um Beiträge von mir zu verlangen. Ich befriedigte sie alle binnen drei Tagen und konnte mir von dem erhaltenen Honorare einen feinen Anzug und Wäsche für unsere Reise nach dem Osten kaufen. Diesen Anzug nahm ich natürlich sogleich in Gebrauch, denn mein Habit aus Elkleder war mir während des Schreibens zu schwer und unbequem. Dann schrieb ich für St. Louis und erbat mir die Honorare nach Weston, wohin ich fahren wollte, um mir dort bis zu Winnetous Rückkehr auch etwas zu verdienen.
    Diese Stadt, deren Einwohner zum dritten Teile Deutsche waren, liegt in einer kulturell sehr reichen Gegend und hatte sich durch die Emigrantenzüge sehr gehoben. Sie besaß damals, glaube ich, fünf Kirchen, darunter zwei deutsche. Die Deutschen befanden sich in den besten Verhältnissen und hatten mehrere Vereine, sogar eine Jägerkompanie gegründet.
    In St. Joseph war ich keine Viertelstunde lang mein eigener Herr. Es regnete förmlich Einladungen, und da ich diesen, um lieber zu arbeiten, nicht folgte, so kamen die Leute zu mir, um mich zur Schilderung unseres Lebens im Wildwest aufzufordern. Das paßte mir natürlich nicht, und damit es mir in Weston nicht ebenso ergehen möge, nahm ich mir vor, dort meinen Namen zu verschweigen. Und weil mein Pferd, dessen Beschreibung überall bekannt war, mich hätte verraten können, gab ich es einem Farmer in Pflege und fuhr mit einem Missouriboote von St. Joseph ab, nachdem ich nur meinen Wirt ins Vertrauen gezogen und ihm gesagt hatte, wo ich vorkommenden Falls zu finden sei.
    Ich muß sagen, daß ich seit langer Zeit nicht so anständig ausgesehen hatte wie jetzt in meinem neuen Habitus. Das Pferd hatte ich zurückgelassen, die Waffen, den Patronengürtel und alle andern Ausrüstungsgegenstände gut verpackt, und so konnte man mich wohl eher für alles andere als für einen Westmann halten, der sich soeben erst mit Lebensgefahr durch das Gebiet der feindlichen Komantschen und Kiowas geschlichen hatte.
    Als ich mich, in Weston angekommen, nach einer guten Logiergelegenheit erkundigte, wurde ich in ein Hotel gewiesen, welches zwar nur nach westlichen Anschauungen diese Bezeichnung verdiente, aber für mich, den anspruchslosen Mann, ganz genügend war. Ich verlangte vor allen Dingen Sauberkeit, und die fand ich hier, so daß ich beschloß, so lange da zu wohnen, wie ich überhaupt in Weston blieb.
    Der Wirt war ein Deutscher, die Wirtin eine freundliche, vor Reinlichkeit glänzende Frau, und auch der Oberkellner redete mich, als ich in das Gastzimmer trat, in deutscher Sprache an; er wurde Oberkellner genannt, obgleich es keinen Unterkellner gab.
    Dieser junge, vielleicht achtundzwanzigjährige Mann war ein

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