06
hastig zu Ende.
Jemand winkte zu unserem Tisch herüber und Sinclair erhob sich. „Ich habe einige Faxe aus St. Paul erhalten. Wenn ihr mich entschuldigen würdet."
„Denk ja nicht, ich merke nicht, dass du dich ständig verdrückst", warnte ich ihn. „Das kommt dich teuer zu stehen."
Seine Augen glänzten und er küsste meine Fingerknöchel. „Darauf freue ich mich schon. In unserem Zimmer, in einer halben Stunde?"
„Vielleicht", schniefte ich, als würden meine Oberschenkel nicht schon jetzt kribbeln.
„Oh, mir wird übel", sagte Jessica. „Ich hätte nie gedacht, dass ich mir einmal wünschen würde, der Krebs käme zurück, um mich auf andere Gedanken zu bringen, aber ..."
„Darüber macht man keine Witze!"
„Wenn ich es richtig verstehe, sind die Blutsauger happy, weil du unter all den Mistkerlen noch das Beste bist, was ihnen passieren konnte?", fragte Nick.
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„Und gerade als ich dachte, du hättest aufgehört, das Arschloch zu spielen ...", brummte ich.
„Süße, ich habe noch nicht einmal angefangen .. Moment mal!"
„Moment, was?"
Nick sagte nichts, sondern sah quer durch die Bar in die Lobby, wo ein einsames Mädchen herumschlenderte. Sie hatte schulterlanges platinblondes Haar und blasse Haut und war barfuß. Und sie trug ein weißes Nachthemd.
„Das muss das Kind von Gästen sein."
„Aber es ist ganz schön gefährlich für ein Kind, hier herumzulaufen, findet ihr nicht?" Nick war schon dabei, sich zu erheben. „Eine Sekunde."
Jessica und ich sahen uns an. „Wollen wir den Jungs wirklich allen Spaß auf dieser Reise überlassen?", fragte sie.
Dann standen wir auf und rannten Nick hinterher.
„Schatz, kann ich dich mal kurz sprechen?"
Das kleine Mädchen - sie konnte kaum älter als zehn sein -wirbelte herum, als sie Nicks Stimme hörte, und ich sah, dass sie riesige blaue Augen hatte, so blau wie der Himmel. Dann lachte sie und lief davon.
„Warte! Ich muss mit dir sprechen! Wo sind deine Eltern?"
Alle drei rannten wir hinter ihr her, weil sie nämlich - Mist! -die (relative) Sicherheit der belebten Lobby verlassen hatte und durch die Eingangstür nach draußen verschwunden war. Ihr hellblondes Haar flatterte wie ein Brautschleier und ich glaubte, nie zuvor so ein schönes Kind gesehen zu haben. Sie musste eine echte Versuchung für den verdammten Blutsauger sein, der Kinder so lecker fand.
Wir traten gerade rechtzeitig auf die Straße, um sie um die Ecke verschwinden zu sehen, lachend. Ich legte die Hände wie
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einen Trichter an den Mund und schrie: „Wir spielen nicht fangen, Liebes! Wir müssen mit dir sprechen!"
Keine Antwort. Ich warf meinen menschlichen Freunden einen Blick zu. „Man sieht sich", sagte ich, weil ich nämlich gleich meine Supergirl-Nummer abziehen würde und sie keine Chance haben würden, mir zu folgen.
Aber selbst als ich so schnell rannte, wie ich konnte, war das Kind nirgends zu sehen, als ich um die Ecke bog.
Niedergeschlagen trottete ich zurück. „Toll. Jetzt können wir auf einen weiteren gottverdammten Tatort warten."
„Wenn sie im Hotel wohnt, kennt sie bestimmt hundert Möglichkeiten, wieder reinzukommen. Wie Eloise", gab Jessica zu bedenken. „Immerhin hat sie uns problemlos abgeschüttelt."
„Das stimmt." Jessicas Worte munterten mich auf.
„Wie dem auch sei, ich denke, ich werde noch ein bisschen hier warten", sagte Nick. „Süße, geh du doch rauf ins Zimmer und ruh dich ein bisschen aus."
„Und dich lasse ich hier allein im Dunkeln?"
„Äh, Süße, ich bin ein Cop."
„Ein menschlicher Cop, der hinter einem kindermordenden Vampir her ist!
Außerdem haben die Schmerztabletten gewirkt. Ich bin noch nicht einmal müde."
„So ein Mist. Das heißt, dass ich ebenfalls hierbleiben muss."
Jessica und Nick sahen überrascht aus. „Was redest du da?", fragte Jess.
„Oh, als wenn ich zurück ins Hotel gehen und wilden Sex mit Sinclair haben würde, während ihr beide hier draußen seid und versucht, einen Vampir davon abzuhalten, ein Kind zu töten. Das würde mich zum größten Arschloch der Welt machen."
„Naja .. ", begann Jessica zuckersüß, aber Nick schnitt ihr das Wort ab.
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„Ernsthaft, Betsy, geh zurück ins Hotel. Wir gehen hier draußen nur noch ein bisschen spazieren, und wenn wir nichts sehen, kommen wir auch rein. Und wenn wir etwas sehen, rufen wir dich auf dem Handy an." Er legte mir (freundlich!) die Hand auf den Arm. „Wirklich, du kannst gehen. Es sind doch eure Flitterwochen,
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