060 - Bis zum letzten Schrei
Weiße
Frau hat ihre Absicht nicht zu Ende führen können«, murmelte Tullier, und seine
Augen glänzten wie im Fieber, während er sich in der Runde umblickte. »Etwas
ist ihr dazwischengekommen.«
Sie sorgten
zunächst dafür, daß Janett Haggerty aus dem unterirdischen Labyrinth nach
draußen gebracht wurde. Einer von Fluels Gendarmen wurde beauftragt, die
Amerikanerin sofort ins Krankenhaus zu bringen. Sie stand unter Schock und
bedurfte dringend ärztlicher Behandlung.
Damit mußte
Larry auf den Einsatz einer Suchgruppe verzichten, weil er nicht davon abging,
daß eine Gruppe mindestens aus drei Mann bestand. Die beiden überzähligen
Gendarmen wurden beauftragt, die Eingänge zur Burg im Auge zu behalten.
Nach der
Unterbrechung setzten Larry Brent und sein Begleiter die Fahrt fort. X-RAY-3
wollte wissen, wohin der Flußarm mündete.
Die Gruppen
standen untereinander in Sprechverbindung. Jeder Gruppenleiter war mit einem
handlichen, tragbaren Funkgerät ausgerüstet.
Das
Schlauchboot legte die vier Kilometer bis zum Ende des ehemaligen Fluchttunnels
zur Ruine Wetterberg zurück. Dort versickerte der schmale Flußarm im steinigen
Boden. Im Dunst leuchteten die Männer mit ihren Lampen das zerfallene, morsche
Gemäuer ab, das sich vor ihnen auftürmte. Außer einigen Spalten und Rissen in
der Felswand war nichts Besonders zu vermerken. Sie fuhren den Weg zurück. Es
war verlorene Zeit, in diesem Bezirk zu suchen, denn es stand fest, daß der
Nachen nie an seinem Ziel angekommen war. Das bedeutete, daß auch Mabel Sallenger
nach menschlichem Ermessen noch diesseits des Flußarmes sein mußte. Es war
unvorstellbar, daß sie die eisige, nasse Barriere schwimmend überwunden hatte.
Das
Schlauchboot legte wieder an. Im Folterkeller traf die Larry Brents Gruppe auf
die andere Gruppe von drei Gendarmen, die sich durch den Geheimgang vom
Rittersaal her in die Tiefe des Labyrinths begeben hatte.
Die Suche
ging weiter.
Wortlos
erfüllten die Männer ihre Pflicht.
Immer wieder
hallten laute Rufe durch das nachtdunkle Gewölbe. Der Name ›Mabel‹ wurde x-mal
gerufen. Vergebens! Ungehört verhallte das Echo.
Stundenlang
irrten sie durch die Gänge und forderten sich das letzte an Willen und Kraft
ab.
Bis sie an
einen Trichter gerieten. Larry Brent, Bürgermeister Fluel und Gerard Tullier
mußten sich eng an die glatte Felswand drücken, um nicht in die Tiefe zu
stürzen, die ihre Lampen nicht auszuloten vermochten.
»Wir sind
rund hundert Meter tief im Bauch des Felsens«, bemerkte X-RAY-3, »aber es ist
noch nicht zu Ende. Hier geht es weiter in die Tiefe.«
Seine Stimme
hallte durch den riesigen Felsensaal. Sie erreichten das obere Ende, wo der
Trichter birnenförmig zulief. Und dort war eine gewaltige Nische in die
Felswand geschlagen.
In der Nische
stand ein thronähnlicher Aufbau, ein Sitz, wie er einem riesigen, unförmigen
Wesen als Sitzplatz gedient haben mochte. Die Wand darüber war mit seltsamen
Schriftzeichen und Symbolen bedeckt, die den drei in dieser gigantischen Höhle
winzig wirkenden Menschen nichts sagten.
Im Schein der
drei Helmlampen erblickten Larry Brent, Fluel und Gerard Tullier das Skelett.
Es war anders
als alle, die sie bisher gesehen hatten.
Es hob sich
kaum von dem Felssitz ab. Es war schwarz wie die Nacht und glänzte, als wären
die Knochen mit Lack übergossen.
Larry Brent
wußte sofort, daß er Mabel Sallenger vor sich hatte!
Sie mußte
zuletzt das Mikrofon in der Hand gehalten haben. Zerschmolzen, zu einem
winzigen Ball zusammengelaufen, lag es vor ihr, neben den schwarzglänzenden
Fußknochen. Unterhalb des Felssockels aber stand der Kassettenrecorder. Die
Hälfte des vom Mikrofon zum Gerät führenden Kabels war total verbrannt. Der
Recorder aber war erhalten und unbeschädigt.
Eine
unvorstellbare Hitzewelle mußte das Medium getroffen haben. Die Umrisse von
Mabel Sallengers Körper waren förmlich in die Felswand hinter ihr eingeschmort
und sahen aus wie die Druckstelle eines plattgedrückten Insekts auf einem
vertrockneten Blatt.
Die
Hitzewelle hatte das Medium gezielt getroffen. Das bewies die Tatsache, daß
Mabel Sallenger bis auf die Knochen verbrannt, der Recorder unterhalb des
Fußsockels jedoch nicht verschmort war.
»Was ist hier
geschehen?« murmelte Gerard Tullier. Er sah aus wie ein Mensch, der mit dem
Leben nicht mehr fertigwurde. Gehetzt, abgekämpft, am Ende seiner Kraft. Die
geistige Krankheit, die sich abzeichnete, wurde durch die Vorfälle hier
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