0602 - Brutstätte des Bösen
sind verrückt, wenn sie ihr die Schuld an den Vorgängen geben.«
»Nein, sie sind unwissend. Sie können es nicht anders wissen. Rosa hat es gespürt, sie ist eine Vertraute von mir, denn sie besitzt das zweite Gesicht. Sie hat darunter gelitten, als das Böse frei wurde, und sie hat sich dagegen angestemmt, was ich ihr nicht hoch genug anrechnen kann. So sieht es aus.«
Glenda schaute das Mädchen an. Es hatte mit unbewegtem Gesicht zugehört. Es machte einen apathischen Eindruck, als wäre es geistig völlig weggetreten. Kein Wunder nach diesem inneren Streß.
Andere wären daran längst zerbrochen.
»Sie haben sie aufgerichtet, wie?«
Der Pater nickte. »Immer wieder habe ich mit ihr geredet, wenn sie am Boden zerstört war. Ich glaube, daß nur unsere Gespräche sie stets aufgerichtet haben!«
»Wie alt ist Rosa?«
»Neunzehn.«
»Zu jung für das Böse!« flüsterte Glenda und hörte das hart klingende Lachen des Mönchs.
»Sagen Sie das nicht. Wenn der Teufel einen Menschen will, nimmt er keine Rücksicht auf dessen Alter.«
»Das weiß ich leider, ich habe es öfter erlebt. Aber die Furcht bleibt trotzdem, auch jetzt.« Glenda deutete auf die Stelle am Boden, in die das Messer gefahren war. »Es kann jeden Augenblick zurückkommen«, flüsterte sie.
Pater Marinus hob die Schultern. »Im Moment nicht. Wir haben es abwehren können.«
»Das waren Sie doch!«
»Stimmt, ich kannte einen alten Bannspruch. Es stammte noch aus sehr früher Zeit. Man kann ihn nur in extremen Situationen einsetzen.« Das Gesicht des Mannes verzog sich. »Leider reicht er nicht aus, um das gesamte Grauen zu stoppen.«
Glenda runzelte die Stirn. »Sie meinen den Schrecken, der in den Katakomben haust.«
»Sie wissen davon?«
»Rosa erzählte mir etwas.«
Tief atmete der Mönch ein. »Es liegt schon sehr lange zurück, und es war in der Zeit der Urchristen, da mußten sich unsere Glaubensbrüder noch verstecken. Ein Dämon hauste in den Gängen. Er soll ein Günstling des Teufels gewesen sein, aber man konnte seinen Geist bannen und das Höllentor versiegeln. Jetzt ist es offen.«
»Wurde der Dämon befreit?«
Beide schraken zusammen, als sie meine Stimme hörten, denn ich war fast unhörbar nähergetreten.
»Das ist John Sinclair«, sagte Glenda und stellte mir den Mönch namentlich vor. »Der Mann mit dem Kreuz«, sagte sie. »Er kann es bestimmt schaffen.«
Pater Marinus erhob sich und reichte mir die Hand. Der Druck war fest und schuf zwischen uns sofort eine Vertrauensbasis. »Reden Sie ruhig weiter, Padre, ich höre zu.«
»Gut.« Er wartete, bis ich mich gesetzt hatte. »Wie gesagt, der Dämon wurde befreit.«
»Wie sieht er aus, und wodurch wurde er befreit?« erkundigte ich mich.
»Jemand muß in seinen Bann geraten sein. Dieser Jemand hat das Höllentor geöffnet.«
»Haben Sie eine Ahnung, wer es tat?«
»Einen Verdacht.«
»Und?«
Padre Marinus schüttelte den Kopf. »Es tut mir leid, ich werde ihn für mich behalten. Jedenfalls müssen wir uns vorsehen. Dieser teuflische Geist irrt umher und ist ständig auf der Suche nach irgendwelchen Gastkörpern.« Er warf Rosa einen Blick zu. »Beinahe hätte er es bei ihr geschafft, aber das ist ihm zu schwer. Er kann sie nicht ganz besitzen, sie bricht immer aus, weil sie sich gegen ihn stemmt. Ich jedoch habe den Eindruck, daß er auch in einen zweiten Körper geraten ist und den beliebig verlassen kann, wenn er will.«
»Was ist mit dem Kreuz?« fragte ich.
»Ein Kreuz, über das er die Kontrolle bekommen hat. Es ist praktisch ein Messer. Unsere Ahnherren haben versucht, ihn damit zu töten. Sie schafften es nicht richtig, er hat die andere Kraft besiegen und das Kreuz umdrehen können. So etwas passiert selten, und wenn es einmal geschieht, ist die Furcht groß.«
»Das kann ich mir denken.«
Der Padre schaute mich an. »Wie ich hörte, sind Sie der Mann, der ein besonderes Kreuz besitzt. Ein Freund von mir, Padre Georgis, hat es in seinen Wahnträumen gesehen. Er war ein Mensch, der sich nicht fürchtete, der in den Katakomben geschlafen hat, um dem Grauen auf die Spur zu kommen.«
Ich hatte meinen Talisman nicht wieder umgehängt, sondern in die Tasche gesteckt. Als ich es hervorholte und auf meinen flachen Handteller legte, bekam der Mönch große Augen. Sogar Rosa stand auf. Sie kam näher heran.
»Das ist es«, sagte ich.
Marinus hatte eine trockene Kehle bekommen. »Kann… kann ich es berühren, bitte?«
»Gern.«
Er strich mit den
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