0602 - Brutstätte des Bösen
ist mein Auftrag, den Padre Georgis gegeben hat.«
»Du… du kennst ihn?«
»Ja, ich habe von ihm gehört. Ich kenne ihn nicht persönlich. Meine Begleiterin traf ihn. Er wollte, daß sie und ich das Grauen endlich stoppen. Das ist alles. Und jetzt laß mich gehen, wir werden dem Kloster Santa Lucca einen Besuch abstatten, denn ich gehe davon aus, daß es dort seine Heimat hat. Habe ich recht? Nahm das Böse das Kloster in Besitz?«
»Der Satan hat es geschafft!« rief eine Frau aus dem Hintergrund.
»Er hat die frommen Männer blenden können. Der Teufel ist allgegenwärtig. Er nahm uns diese Stätte hier, und er wird uns alles nehmen, das wissen wir.«
»Nein, wir stoppen ihn. Das sind wir dem toten Padre schuldig. Ihr werdet euch wieder in die Häuser zurückziehen und abwarten. Unternehmt nicht den Versuch, uns zu folgen. Einmal ist es gutgegangen, für ein weiteres Mal kann ich nicht garantieren. Das Kreuz hat das Böse zerstört. Es ist nicht mehr da, ich habe den entweihten Altar glücklicherweise vernichten können…«
»Ja, aber…«
»Es gibt kein Aber, mein Freund. Verbindet eure Wunden und kehrt zurück.«
Niemand widersprach. Niemand hielt mich auf, als ich mich auf den Rückweg machte und mit langen Schritten durch die Kapelle ging. In ihr war es verhältnismäßig kühl gewesen, was sich allerdings sehr schnell änderte, als ich die Tür aufzog.
Da traf mich die Hitze wie ein breiter Faustschlag. Ich ging weiter, suchte nach Glenda und Rosa, ohne die beiden sofort entdecken zu können. Erst als ich mich nach rechts wandte, sah ich sie. Allein waren sie nicht, jemand stand bei ihnen, den ich nicht kannte, der mich aber erstaunte, denn er trug die Kutte eines Mönchs…
***
Glenda lag im Staub und spürte den harten Boden unter ihrem Rücken. Sie hatte den Mund geöffnet, ohne jedoch einen Schrei ausstoßen zu können. Alles war zu plötzlich gegangen.
Und sie starrte auf den Gegenstand, eine Mischung zwischen Kreuz und Messer.
Tief war die Klinge in den Boden gerammt. Sie glänzte schwarz, selbst das Sonnenlicht konnte sie nicht erhellen. Hinter dem Kreuz stand Rosa in einer Haltung, die der eines erstarrten Vogels glich, der seine Schwingen ausgebreitet hatte. Bei ihr waren es allerdings die Arme.
Noch immer standen die Haare zu Berge, noch immer lag der blinde Ausdruck in ihren Augen, doch einen Schatten warf sie nicht.
Der fiel von der Seite her und ziemlich breit von einer anderen Person auf Glenda Perkins nieder.
Sie schaute hoch und verdrehte dabei die Augen. Der Schatten hatte ein Gesicht bekommen, einen Mund mit blassen Lippen, die sich bewegten, als der Mönch sprach.
Glenda verstand den Text nicht. Sie konnte sich jedoch vorstellen, daß es sich um ein Gebet oder eine Exorzistenformel handelte, denn das verunstaltete Kreuz im Boden bewegte sich plötzlich. Sie hörte ein Zischen, dann flog es aus der Erde hervor, bewegte sich in der Luft zuckend wie eine Peitsche, so daß Glenda von einer Verwandlung in die Schlange ausgehen mußte.
Es war zur Schlange geworden und geflüchtet. Erst jetzt konnte sie aufatmen, denn auch Rosa wurde wieder normal. Die Haare fielen nach vorn, sie rahmten den Kopf ein wie früher. Dann sank sie zusammen, die Kräfte hatten sie verlassen.
»Wollen Sie nicht aufstehen?« sprach der Mönch sie an. Er besaß eine dunkle, sympathische Stimme.
Glenda entdeckte das Lächeln auf seinen Lippen und nahm die ausgestreckte Hand. Mit einem Ruck zog der Mönch sie hoch. Mit stockenden Worten bedankte sie sich bei ihm.
»Ich habe es geahnt«, sagte er nur.
»Sind Sie Pater Marinus?«
Der Mann mit dem gütigen Faltengesicht nickte. Er trug auf dem Hinterkopf eine kleine dunkle Kappe. Das graue Haar war ansonsten nach vorn gekämmt worden, so daß er so etwas wie einen Cäsarenschnitt bekommen hatte.
»Dann weiß ich von Ihnen.«
»Hat Rosa es erzählt?«
»Si.«
Der Mönch lächelte und strich über seine Augen. »Du bist fremd hier. Du bist eine Frau. Ich werde dich etwas fragen. Bist du vielleicht diejenige Person, die Bruder Georgis um Hilfe gebeten hat?«
»Wissen Sie Bescheid?«
»Ja, ich bin eingeweiht. Bruder Georgis wußte, daß nur ein Mann helfen kann. Er trägt ein geweihtes, uraltes Silberkreuz, noch älter als das entweihte…«
»Er heißt John Sinclair. Wir kennen uns gut.«
»Wo ist er?«
»In der Kapelle, Pater!« Glenda räusperte sich. »Die Bewohner haben sich dort versammelt. Sie wollten Rosa töten, glaube ich. Sie… sie
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