0612 - Eine Nacht im Hexenschloß
oder war.«
»Wieso war? Ich spüre ihre verdammte Ausstrahlung…«
»Stimmt, jedoch nicht so stark wie die deine.«
Auf einmal lachte sie. »Da hast du sogar recht. Ja, ich bin stärker, deshalb werde ich sie auch töten. Wo also?«
»Hier im Zimmer!« ächzte ich.
»Nein, das ist…«
»Hinter dir!« bluffte ich. »Spürst du sie denn nicht, Orania? Sie befindet sich hinter dir!«
Die Hexe wußte nicht, ob sie mir glauben oder mich töten sollte.
Die Zweifel spiegelten sich in ihrem Blick wider.
Ich ging davon aus, daß sie, wenn sie sich umdrehte, das Messer von meinem Hals entfernen mußte.
Kam es soweit?
Sekunden vergingen, der Druck ihres Körpers auf dem meinen verringerte sich.
Die Klinge glitt zur Seite, aber nicht tiefer, und genau da geschah das Unfaßbare!
Mit vehementer Wucht brach der Fußboden auf und Jane Collins erschien wie ein Geschenk des Himmels, obwohl sie eine Waffe in der rechten Hand hielt.
Meinen Silberdolch!
***
Ihn hatte Jane im letzten Augenblick beim Aufbrechen des Bodens zur Kenntnis genommen, weil er eben so günstig gelegen hatte. Ihn greifen und hochschnellen war eins.
Der Schrei riß die Hexe herum. Auch ich hatte mich bewegt, ohne getötet zu werden und konnte dann nur mehr zuschauen, wie sich die beiden gegenüberstanden.
Das Messer zeigte einen Streifen meines Blutes, als die Hexe nach Jane schlug.
Sie war schnell und geschickt, erwischte die Detektivin an der Wange, zog die Klinge noch hinab bis an die rechte Seite des Halses und hinterließ dort eine lange Wunde.
Jane sprang zurück, ich robbte praktisch über das Bett auf mein Kreuz zu, auch Orania bewegte sich, aber sie war durch ihren ersten Erfolg geblendet worden, denn sie lief Jane Collins genau ins Messer. Und das im wahrsten Sinne des Wortes.
Plötzlich schrie sie auf, als die Klinge bis zum Heft in ihrem Körper steckte. Orania selbst hatte mit der rechten Hand nach der Kehle gezielt, Jane aber nicht einmal berührt, denn sie war tatsächlich schneller gewesen.
Und sie riß jetzt den Dolch wieder aus der Brust der Hexe hervor, die zurücktaumelte und mit einer Hand die braunrote, dicke Flüssigkeit stoppen wollte, die aus der Wunde brach.
Sie ging einen Schritt zurück.
Das Loch befand sich noch dort, damit auch die andere Welt, und die verschlang Orania.
Sie war nicht mehr die gleiche wie früher. Die Silberklinge hatte sie gezeichnet, gegen die Schwarze Magie gekämpft, sie wahrscheinlich sogar vernichtet, und es gab nichts mehr, was dieser unheimlichen Person hätte Schutz geben können.
Jane stand, ich lag auf dem Bett. Beide schauten wir zu, wie dieser uns endlos vorkommende Schacht die beiden Toten und auch die Hexe fraß, die gräßlich schrie, weil sie wahnsinnige Schmerzen spürte und plötzlich Feuer aus ihrem Körper schoß.
Eine grünrote Flamme hüllte sie ein und verbrannte sie so stark, daß nichts mehr von ihr zurückblieb.
Aus, ihr verfluchtes Leben war vernichtet!
Und der Boden schloß sich wieder vor uns. Wir bekamen nur mehr mit, wie der Knochenschädel mit lauten Geräuschen zerplatzte, dann sah das Zimmer wieder völlig normal aus. Bis auf einen kleinen, dunklen Fleck. Er befand sich genau dort, wo die Hexe Orania verschwunden war.
Ich erhob mich mit zitternden Knien. Von meinem Hals tropfte Blut, auch Jane war durch das verdammte Messer gezeichnet worden.
Ich wollte sie verbinden, sie mich, schließlich banden wie uns gegenseitig die Taschentücher um. Pflaster und Desinfektionsmittel fanden wir in der Autoapotheke.
»Sie hätte dir glatt die Kehle durchgeschnitten!« flüsterte Jane, als wir das Zimmer verlassen hatten und durch den Gang schritten.
»Nicht nur das, auch den Kopf.«
»Was?« Jane blieb stehen.
Ich hob die Schultern. »Das hat sie schon einmal getan. Damals, als Untote, da ermordete sie ihren Mann.« Ich winkte ab. »Laß uns verschwinden, Jane, eine Person namens Orania gehört der Vergangenheit an – endgültig.«
»Was auch gut ist«, erwiderte die Detektivin.
Dann schritten wir Hand in Hand hinein in die Finsternis des Innenhofs und blickten nicht einmal zurück…
ENDE
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