0618 - Der Mondschein-Mörder
mehr, daß es existierte, sie wollte es vernichten. Vielleicht erreichte sie damit etwas.
Mit spitzen Fingern nahm sie das Buch an sich. Mit ihrer »Beute« ging sie in die Küche, wo sie es auf die Arbeitsplatte warf. Dann öffnete sie eine Schublade.
Wohlgeordnet lagen die verschiedenen Küchenmesser nebeneinander. Manche besaßen breite, andere wiederum schmale Klingen.
Auch waren sie unterschiedlich hart.
Für ihre Tat suchte Imelda ein besonders widerstandsfähiges Messer. Es würde nicht einfach sein, das Buch zu zerstören. Zerschneiden und zerhacken, etwas anderes kam für sie nicht in Frage.
Mit der Hüfte rammte sie die Schublade wieder zu. Das kalte Licht einer Kochleuchte verteilte sich auf der Arbeitsplatte. Noch einmal nahm sie genau Maß.
Den Messergriff hielt sie mit beiden Händen umklammert, so konnte sie mehr Kraft in ihre Aktionen legen.
Ein verbissener Ausdruck lag auf ihrem Gesicht, als sie das Messer nach unten rammte.
Die Spitze hackte in den dickeren Umschlag, steckte fest. Sie riß das Messer wieder hervor und stieß erneut zu. Immer wieder. Der dunkle Umschlag wurde zerfetzt. Imelda wollte mehr. Sie schlug das Buch auf. Es war ihr egal, welche Seiten sie traf, Hauptsache das Buch wurde zerstört.
Imelda keuchte. Tränen waren in ihre Augen getreten. Die Wut überschwemmte sie weiter, und sie achtete dabei nicht auf ihre Umgebung. Dabei hätte sie vorsichtig sein müssen, denn das Tor in die andere Welt war noch nicht geschlossen.
Daß sich ein Schatten durch ihre Wohnung bewegte, bekam sie nicht mit. Eine Gestalt war es, die so leise ging, als wäre sie körperlich überhaupt nicht vorhanden.
An der Tür blieb sie stehen. Dort wartete sie in Ruhe ab. Erst nach einigen Sekunden meldete sie sich mit einer spöttisch klingenden Stimme.
»Das wäre aber nicht nötig gewesen, Madame!«
Imelda erstarrte. Die Hand mit dem Messer blieb auf halbem Weg stehen. Die Stimme hatte sie wieder in die Realität zurückgerissen, und sie fuhr auf der Stelle herum.
In der Tür lehnte Eliza Farland und schaute sie spöttisch an!
***
Wer sie so sah, hätte in ihr niemals eine gefährliche Person vermutet. Im Gegenteil, sie wirkte mehr wie ein Engel, der aus großer Höhe herabgestoßen war, um den Erdenbewohnern einen Besuch abzustatten. Doch ein Blick in ihr Gesicht täuschte. Da war kein engelhafter Ausdruck zu erkennen, es wirkte eisig und abweisend.
Selbst die blaugrünen Augen schienen zu Eis geworden zu sein. Das Haar umgab den Kopf wie eine gewaltige Flamme und schien zu knistern.
»Was willst du?« keuchte Madame Imelda. »Was willst du noch hier, verdammt? Hättest du nicht in deiner Welt bleiben können, zum Henker? Was also hast du hier zu suchen?«
»Ich spiele Schicksal!«
»Du?« Imelda wollte lachen, doch ihr fiel ein, daß die Person möglicherweise nicht unrecht gehabt hatte. Die konnte, wenn sie es wollte, tatsächlich Schicksal spielen. Und sie würde sogar ihr zum Schicksal werden, wenn sie nicht achtgab.
Imelda konzentrierte sich zwar auf Eliza Farland, dachte aber an den Killer. »Wo ist der Mondschein-Mörder?« fragte sie. »Hast du ihn auch mitgebracht?«
»Vielleicht…«
Imelda stellte sich auf die Zehenspitzen, weil sie an Eliza vorbeisehen wollte. Das gelang ihr auch. Im Flur entdeckte sie keine zweite Gestalt. Der Mörder schien nicht mitgekommen zu sein. Eliza war allein. Imelda war allein, und die Astrologin wußte, daß Eliza ihr gegenüber kein Pardon kennen würde.
Umgekehrt war es auch nicht!
Mit der Zungenspitze fuhr die Astrologin über ihre Lippen. Sie hoffte stark, sich soweit in der Gewalt zu haben, daß die Person vor ihr nichts merkte. Sie hatte einen Entschluß gefaßt, der ihr weiteres Leben radikal ändern würde, wenn sie mit ihrer Aktion Erfolg hatte.
Mit einem schnellen Schritt trat sie von der Platte weg. Das Messer nahm sie mit und drehte es so, daß die Klinge genau auf den Körper der Eliza Farland zielte. »Nur wir beide, Eliza! Nur wir beide. Verstehst du mich?«
»Sicher, Madame. Sie wollen mich töten!«
»Genau, Eliza, genau. Ich will dich töten. Ich will dich umbringen. Ich werde dich mit meinem Messer traktieren. Du wirst das Grauen erleben, das schwöre ich. Du wirst an deinem eigenen Blut ersticken, wenn ich dich vernichte.«
Sie hatte sich in Rage geredet und mußte sich selbst zur Ordnung rufen. Nur nichts überstürzen, nur nicht die große Blöße zeigen, sonst bekam die andere Oberwasser.
»Kommen Sie her,
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