0618 - Doktor Wahnsinn
Sichtkarten von unsichtbaren Prüfeinrichtungen unbemerkt gescannt wurde. Zamorra konnte es sich nicht anders vorstellen; die NSA konnte einfach nicht so leichtsinnig sein, Hinz und Kunz nach Belieben hereinzulassen!
Ein grauhaariger Mann empfing sie. »Sie wurden mir leider nicht avisiert, Ladies und Gentlemen«, sagte er höflich. »Darf ich fragen, was der Grund Ihres Überraschungsbesuches ist?«
»Darf ich fragen, mit wem wir es zu tun haben?« konterte Tendyke kühl und wies auf die Brust des Grauhaarigen, an der der Sichtausweis fehlte. »Sie sind mir ebenso unbekannt, wie wir es Ihnen offenbar sind. Bitte, Sir…«
Der Grauhaarige hob die Brauen. »Ist das ein Scherz, Mister… Tendyke?« vergewisserte er sich mit einem Kontrollblick des Namens seines Gegenübers.
»Nein«, gab Tendyke trocken zurück. »Sicherheitsüberprüfung, Sir. Möchten Sie sich nicht ausweisen?«
»Ich bin der Leiter dieses Labors!« donnerte der Grauhaarige ehrlich empört.
»Wie Sie wollen«, schnarrte Tendyke. »Wenn Sie nicht gewillt sind, sich zu legitimieren, nehme ich Sie fest.«
Himmel! dachte Zamorra. Das kann einfach nicht gutgehen! Er trägt zu dick auf!
Monica Peters flüsterte ihm im gleichen Moment zu, was ihre Schwester Tendyke gerade verriet: »Wir können seine Gedanken nicht lesen! Vorsicht! Er hat eine Sperre!«
Tendyke nickte Uschi zu. Dann grinste er den Grauhaarigen an. »Welches Lied haben denn Sie sich ausgesucht, um Telepathen abzublocken?«
»Take me home, country road«, sagte Uschi Peters an seiner Stelle laut. »Er rezitiert ständig den Refrain.«
»Daß Sie sich dieses Lied ausgesucht haben, macht Sie fast sympathisch, Sir«, sagte Tendyke gelassen. »Ich bestehe dennoch darauf, Sie zu kontrollieren. Ich muß wissen, mit wem ich es zu tun habe und was hier vorgeht.«
»Sie sind ja verrückt«, murmelte der Grauhaarige. Er verdrehte die Augen. »Ich werde mich in Fort Meade über Sie beschweren.«
»Das steht Ihnen frei - wenn Sie der sind, für den Sie sich ausgeben.«
»Ich glaub's einfach nicht«, sagte Uschi. »Er nennt sich John Denver.«
»Deshalb das Lied? Na gut. Zur Kontrolle Ihren Ausweis«, verlangte Tendyke.
Jetzt endlich griff der Grauhaarige in die Tasche und zog einen Dienstausweis hervor. Zamorra konnte nicht sehen, welcher Name dort eingetragen war, aber Tendyke nickte. »Leiter, sagten Sie… nun gut, sicherheitstechnischer Leiter. Der wissenischaftliche Leiter sind Sie sicher nicht. Also schön, John«, sagte er. »Sie sollten sich umstellen. Der echte John Denver hatte keine Ähnlichkeit mit Ihnen, und außerdem ist er tot. Probieren Sie's mit Michael Jackson. Und jetzt wollen wir Galworthys Leiche sehen.«
»Galworthy?«
»Doktor Brian Galworthy Sie haben ihn doch noch nicht einäschern lassen? Das könnte einigen Leuten in der Zentrale nicht gefallen. Und Sie möchten doch bestimmt nicht, daß ich Ärger bekomme. Denn dann muß ich Ihnen Ärger machen.«
»Verdammt«, murmelte der Grauhaarige. »Ich wußte, daß es Schwierigkeiten geben würde. Wir haben da ein Problem, Tendyke.«
»Den Spruch habe ich doch schon mal von Äpollo-Astronauten gehört: ›j Houston, wir haben da ein Problem…‹ Ach, bitte nicht. In Ihrem eigenen Interesse.«
»Es gab in der vergangenen Nacht einen Zwischenfall. Galworthys Leichnam ist spurlos verschwunden.«
Tendyke stutzte. Er wechselte einen schnellen Blick mit seinen Begleitern.
»Na, dann werden Sie uns sicher einiges zu erzählen haben«, verlangte er anschließend.
***
Erinnerungen…
Es ist, als ob du träumst. Du kannst denken, aber du spürst keine Schmerzen mehr. Endlich, nach so langen Jahren. Und du weißt, daß du endlich frei bist.
Dein Körper ist gestorben. Jeder Arzt wird den klinischen Tod feststellen. Herz und Gehirn arbeiten nicht mehr. Sie senden keine Impulse mehr nach draußen, die von irgendwelchen Apparaten aufgefangen werden können.
Aber sie haben dich schon wieder eingesperrt.
Es ist dunkel, aber du kannst trotzdem sehen; nur nicht mit deinen Augen. Denn die funktionieren jetzt nicht. Die Zeit dafür ist noch nicht gekommen. Du bist in einer Phase der Veränderung.
Dein Geist greift aus, kann ohne die Augen mehr sehen als je zuvor. Er gleitet, aus dem dunklen Gefängnis hin aus und schaut sich um.
Du begreifst jetzt, wo du dich he findest: In jenem Kellerraum, in dem in den Kältefächern Leichen aufbe wahrt werden. Um sie irgendwann, früher oder später, zu untersuchen.
Für dich trifft
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