0618 - Doktor Wahnsinn
den Leichnam eines Mannes, der nach langjährigem Siechtum stirbt? Wer kann sich einen Vorteil davon versprechen?« überlegte Monica Peters. »Galworthy war doch Insektenforscher.«
»Ja.«
»Könnte er an einem Projekt zur Schädlingsbekämpfung gearbeitet haben, das von internationalem Interesse ist?«
»Selbst wenn«, warf Nicole ein. »Er ist tot. Jeder vernünftige Mensch würde seine Unterlagen klauen, nicht den Leichnam. Außerdem ist er jahrelang in keinem Labor mehr gewesen, oder? Warum hat man die Unterlagen nicht schon viel früher besorgt?«
»Weil es keine gibt«, knurrte der Grauhaarige. Er wandte sich den Zwillingen zu. »Lassen Sie doch Ihre ständigen Versuche, meine Gedanken zu erforschen. Sie kommen ohnehin nicht durch, und es ist für Sie anstrengend und für mich lästig.«
»Schon gut. Berufskrankheit«, sagte Uschi.
Zamorra hob die Brauen. Normalerweise lag Telepathen nicht viel daran, die Gedanken anderer Menschen zu lesen. Man stieß oft auf erschütternde seelische Abgründe, die man sich besser nicht antat. Aber offenbar waren die Zwillinge bei diesem Grauhaarigen pausenlos dran!
»Es gibt keine Unterlagen? Wurden sie vernichtet, als…?«
Der Grauhaarige unterbrach. »Es gibt keine. Sind Sie darüber nicht informiert worden? Galworthy hatte alles, womit er arbeitete, im Kopf! Er war ein Geheimniskrämer.«
»Moment mal«, warf Zamorra ein. »Das gibt es doch nicht. Niemand finanziert Forschungen, über die es keine Unterlagen gibt.«
»In diesem Fall schon.«
»Dann«, sagte Zamorra leise, »dürfte das Projekt ziemlich brisant sein. Ausgerechnet der verrückte Galworthy… ich fasse es nicht! Was, zum Teufel, hat er da ausgebrütet?« Er sah den Grauhaarigen fragend an.
»Das müßten Sie doch wissen«, wich dieser aus.
»Hören Sie«, fuhr Tendyke ihn an. »Wir erwarten etwas mehr Zusammenarbeit, Freundchen. Wenn wir es wüßten, würden wir ja wohl nicht danach fragen, oder? War Galworthy bis zu seinem Tod bei klarem Verstand?«
»Was man so Verstand nennt.« Der Grauhaarige grinste kurz, wurde aber sofort wieder ernst. »Offenbar ja. Mehr darüber müßten Ihnen die medizinischen Aufzeichnungen verraten. Und am besten fragen Sie einfach Diaz.«
»Werden wir tun«, sagte Tendyke. »Wo steckt er?«
»Vermutlich in seiner Wohnung. Freuen wird er sich nicht gerade, wenn Sie anrücken. Immerhin haben wir ihn schon ein paar Stunden lang in der Mangel gehabt.«
»Begründung?« fragte Tendyke schnell.
»Raten Sie mal…«
»Mein lieber John!« Tendyke legte ihm vertraulich die Hand auf die Schulter. »Wir sind hier nicht in einer dümmlichen Game-Show. Hier ist es wie im richtigen Leben: wenn Sie sich querstellen, mache ich Sie so klein mit Hut.« Er deutete mit Daumen und Zeigefinger der anderen Hand einen Zentimeter-Abstand an. »Das da ist Ihr Telefon, ja? Ich werde jetzt ein Ferngespräch führen. Danach sind Sie abgelöst. Und wir werden uns mit Ihnen auch wegen Behinderung unserer Ermittlungen befassen.«
»Tragen Sie nicht ein bißchen zu dick auf, Tendyke? Was glauben Sie wohl, warum ich hier eingesetzt wurde?«
»Sicher nicht, um dumme Antworten zu geben«, erwiderte Tendyke trocken, ließ den Mann los und ging zum Schreibtisch. Er nahm den Telefonhörer ab und ließ die andere Hand über den Tasten schweben.
»Schon gut, lassen Sie das«, knurrte der Grauhaarige. »Aber ich schwöre Ihnen: Für den Ärger, den Sie mir hier machen, werden Sie bezahlen.«
»In einem anderen Leben.«
Zamorra versuchte, sein Unbehagen zu verbergen. Wie Tendyke hier auftrat, gefiel ihm immer weniger. Wenn ihr falsches Spiel aufflog, waren sie für alle Zeiten erledigt. Tendyke hatte sich hier einen ein flußreichen, mächtigen Feind geschal len. Und die NSA mußte nicht einmal den Weg des Gesetzes gehen…
Aber jetzt rückte der Grauhaarige immerhin mit Informationen heraus.
Und er gewährte den ungeliebtem Besuchern Zutritt zu Galworthys ehemaligem Krankenzimmer und vor allem zur Leichenkammer.
»Schauen wir mal nach, wie der Tote verschwunden ist«, sagte Zamorra. »Vielleicht war er ja gar nicht wirklich tot…«
***
Dr. Ramon Diaz glaubte seinen Augen nicht trauen zu dürfen. Was er sah, konnte und durfte es gar nicht geben.
Es war kein Mensch…
Es war ein Ungeheuer, das im Wohnzimmer auf ihn wartete. Es besaß annähernd menschliche Umrisse, aber das war auch schon alles. Diaz sah einen hoch gewachsenen nackten Körper, der der eines Mannes zu sein schien. Aber die
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