062 - John Flack
fügte sie ganz unzusammenhängend hinzu.
»Wie lange - hm - geht denn das schon so?«
»Erst seit ungefähr einer Woche«, antwortete das Mädchen giftig. »Ich weiß, daß sie verheiratet sind, denn ich habe ihren Trauschein gesehen. Sechs Jahre sind sie jetzt verheiratet. Sie bewahrt ihn in ihrem Toilettenkoffer auf.«
Sie sah ihn plötzlich mißtrauisch an.
»Ich hätte Ihnen das nicht erzählen sollen. Ich möchte keinem Schwierigkeiten bereiten und ich trage ihnen nichts nach, obwohl sie mich schlimmer als einen Hund behandelt haben«, sagte sie. »Außer mir weiß das kein Mensch im ganzen Haus. Ich bin ja zwei Jahre lang ihr persönliches Mädchen gewesen. Aber wenn man mich nicht anständig behandelt, bin ich ganz genauso.«
»Sechs Jahre verheiratet! Du liebe Güte!« sagte Mr. Reeder. Dann wandte er sich um und sah ihr fest ins Gesicht. »Wollen Sie fünfzig Pfund verdienen?« fragte er. »Ganze fünfzig Pfund will ich Ihnen geben, wenn ich einmal den Trauschein sehen kann.«
Das Mädchen bekam einen roten Kopf.
»Sie wallen mich wohl 'reinlegen«, rief sie aus, fuhr dann aber zögernd fort. »Ich möchte ihr keine Unannehmlichkeiten machen.«
»Ich bin Detektiv«, sagte Mr. Reeder, »aber ich arbeite im Auftrag des Hauptstandesamts, und wir zweifeln daran, daß die Heirat zu Recht besteht. Selbstverständlich könnte ich das Zimmer der jungen Dame durchsuchen und den Trauschein selber finden, aber, wenn Ihnen daran liegt, mir zu helfen, und wenn fünfzig Pfund irgendwelche Anziehungskraft für Sie haben -«
Sie zögerte und sagte, sie würde mal sehen. Eine halbe Stunde später kam sie in die Halle zurück und brachte ihm die Nachricht, daß ihr Suchen erfolglos geblieben war. Sie hatte den Umschlag gefunden, der den Trauschein enthalten hatte, dieser selbst war verschwunden. Mr. Reeder fragte nicht nach dem Namen des Bräutigams - dieser wurde auch nicht erwähnt -, denn er war ziemlich sicher, daß er den glücklichen Gatten kannte. Er richtete eine Frage an das Mädchen, und die Antwort, die sie ihm gab, war, wie er erwartet hatte.
»Eines möchte ich Sie gern noch fragen: Erinnern Sie sich an den Namen des Vaters der Braut?«
»John Crewe, Kaufmann«, sagte sie sofort. »Der Name der Mutter war Hannah. Ich mußte ihm auf die Bibel schwören, niemals einer Menschenseele zu erzählen, daß ich wußte, sie wären verheiratet.«
»Weiß sonst noch jemand darum? Sie sagten ›niemand‹, nicht wahr?«
Das Mädchen zögerte.
»Ja, Mrs. Burton weiß es auch. Sie weiß überhaupt alles.«
»Besten Dank«, sagte Mr. Reeder und zog aus seiner Brieftasche zwei Fünfpfundnoten. »Was hatte denn der Bräutigam für einen Beruf? Erinnern Sie sich noch daran?«
Das Mädchen zuckte verächtlich die Lippen.
»Sekretär - warum er sich Sekretär nannte, begreife ich auch nicht, und er war noch dazu ein unabhängiger, feiner Herr!« »Danke bestens«, wiederholte Mr. Reeder noch einmal.
Er telefonierte nach Siltbury und bestellte ein Taxi.
»Gehen Sie aus?« fragte Margaret, als sie ihn wartend am Eingang fand.
»Ich will ein paar Geschenke für meine Freunde in London kaufen«, erzählte Mr. Reeder geläufig, »ein oder zwei Butterdosen mit passender Aufschrift sind meiner Meinung nach das einzig richtige.«
Das Auto brachte ihn nicht nach Siltbury, sondern folgte einer Straße, die parallel mit der Küste lief und ihn schließlich auf einen unmöglichen, sandigen Weg brachte, aus dem die alte Kraftdroschke nur mit Mühe herausgebracht werden konnte.
»Ich hab' Ihnen ja gleich gesagt, daß der Weg nirgendwohin führt«, beklagte sich der gekränkte Chauffeur.
»Dann haben wir sicherlich unseren Bestimmungsort erreicht«, entgegnete Mr. Reeder und half mit, das Auto auf festeren Grund zu schieben.
Siltbury war bei den Londonern nicht sehr beliebt. Das Städtchen hatte einen Steinstrand, und die Leute bevorzugten sandigen Strand. »Es gibt hier herum verschiedene wunderschöne sandige Stellen«, erzählte der Chauffeur, »aber man kann leider nicht herankommen.«
Sie hatten den Weg zur Linken eingeschlagen, der sie schließlich nach der Stadt bringen mußte, und waren ungefähr eine Viertelstunde unterwegs, als Mr. Reeder, der neben dem Fahrer saß, auf eine große Aushöhlung in den Dünen zu seiner Rechten wies.
»Die Siltbury-Steinbrüche«, erklärte der Chauffeur. »Sie sind jetzt stillgelegt. Es gibt zu viele Löcher.«
»Löcher?«
»Die Felsen sind wie ein Schwamm«, entgegnete der
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