062 - John Flack
mir, daß Sie unser Schwimmbassin ausprobiert haben. Hat es Ihnen gefallen ...? Natürlich hat es Ihnen gefallen.«
»Wollen Sie nicht Platz nehmen und eine Tasse Kaffee mittrinken?« fragte Mr. Reeder höflich, aber Daver lehnte die Einladung mit abwehrender Geste und tiefer Verbeugung ab.
»Nein, nein, ich habe meine Arbeit - ich kann Ihnen nicht sagen, wie dankbar ich Miss Belman bin, daß sie mich auf die Spur eines der fesselndsten Charaktere unserer modernen Zeit gebracht hat. Das ist ein Kerl!« sagte Mr. Daver und wiederholte unbewußt Mr. Reeders eigene Worte. »Ich habe versucht, seine frühere Laufbahn aufzuspüren - nein, danke bestens, ich bleibe stehen, ich muß ja doch in ein paar Augenblicken weiter . . . Ist über sein früheres Leben etwas bekannt, war er verheiratet?«
Mr. Reeder nickte. Er hatte nicht die geringste Ahnung, ob John Flack verheiratet war, aber der Augenblick schien gerade gut zu sein, um eingehende Informationen vermuten zu lassen. Auf die Wirkung, die sein Kopfnicken verursachte, war er aber gänzlich unvorbereitet. Der Mund des Mannes mit dem gelblichen Gesicht öffnete sich weit.
»Verheiratet?« seine Stimme überschlug sich. »Wer hat Ihnen erzählt, daß er verheiratet war? Wann hat er geheiratet?«
»Das ist eine Angelegenheit«, sagte Mr. Reeder ernst, »über die ich mich nicht auslassen darf.«
»Verheiratet!« Mr. Daver rieb aufgeregt seinen kleinen, runden Schädel, verfolgte aber das Thema nicht weiter. Er machte noch eine geistlose Bemerkung über das Wetter und hastete aus dem Zimmer.
Mr. Reeder machte es sich in der Banketthalle, so nannte auch er den Raum, mit einer illustrierten Zeitschrift bequem und wartete auf eine Gelegenheit, die, wie er sicher annahm, sich früher oder später bieten würde. Er hatte das ganze Personal im Geiste an sich vorbeiziehen lassen. Die Mädchen, die bei Tisch bedienten, wohnten in einem kleinen Häuschen auf der Siltburyseite des Besitztums. Die männlichen Dienstboten, auch der Portier, schienen über jeden Verdacht erhaben. Letzterer war ein alter, gedienter Soldat mit einer Reihe Medaillen auf seiner Livreejacke; sein Gehilfe war ein junger Mensch mit schwachem Kinn, der aus Siltbury stammte und anscheinend das einzige Mitglied des Personals war, das nicht in einem der Häuschen wohnte. Im allgemeinen erwartete er von den weiblichen Dienstboten nicht viel - seine einzige Hoffnung war das wütende Zimmermädchen, obgleich dieses wohl auch kaum von anderen Dingen als von ihrem persönlichen Kummer reden würde.
Von seinem Sessel aus konnte er den ganzen Rasenplatz übersehen. Um drei Uhr gingen der Oberst, Ehrwürden Mr. Dean und Olga Crewe aus dem Haupttor hinaus, allem Anschein nach in der Richtung nach Siltbury. Er klingelte, und zu seiner Befriedigung war es das gekränkte Zimmermädchen, das erschien und seine Bestellung entgegennahm.
»Es ist sehr nett hier«, sagte Mr. Reeder leichthin. Das ›Ja‹ des Mädchens war sehr schnippisch. »Ich glaube«, sagte Mr. Reeder, nachdenklich durch das Fenster sehend, »das ist hier so eine Stellung, nach der sich eine Menge Mädels die Beine ablaufen würden. Und sicher möchte keines hier ihre Arbeit verlieren.« Augenscheinlich war sie aber nicht dieser Meinung.
»Die Arbeit oben ist nicht schlimm«, sagte sie, »und im Speisezimmer ist auch nicht zu viel zu tun. Aber mir ist es hier zu langweilig. Ich war in einem großen Hotel, bevor ich hierherkam. Ich suche mir eine angenehmere Stellung - je früher, desto besser.«
Sie gab zu, daß der Verdienst ganz gut war, aber sie hatte große Sehnsucht nach jenem schwer zu beschreibenden Zustand, den sie ›Leben‹ nannte. Außerdem gab sie ihrer Vorliebe für männliche Gäste Ausdruck.
»Die - sogenannte - Miss Crewe macht mehr Umstände als alle anderen Gäste zusammen. Ich kann aus ihr nicht klug werden. Erst verlangt sie ein Zimmer, dann will sie ein anderes haben. Warum sie nicht mit ihrem Mann zusammenwohnen will, kann ich auch nicht begreifen.«
»Mit ihrem -?« Mr. Reeder blickte sie mit schmerzlicher Überraschung an. »Vielleicht können sie sich nicht vertragen?«
»Eine Zeitlang ging es ganz gut. Wenn sie nicht verheiratet wären, könnte ich ja ihre ganze Geheimniskrämerei begreifen - so zu tun, als ob sie's nicht sind, er in seinem Zimmer, sie in ihrem, und wenn sie zusammenkommen, so tun, als ob sie Fremde wären. Wenn erst so eine Art Betrügerei anfängt, müssen ja alle möglichen Dinge verlorengehen«,
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