062 - John Flack
lag keinerlei Staub. Er ließ sich auf Hände und Knie nieder und blickte in die dunkle Öffnung hinab.
»Wieviel Ladungen Sand und Steine wurden gebraucht, um den Brunnen aufzufüllen?« fragte er.
Margaret las ihm die Inschrift vor.
»Hmmm!« brummte Mr. Reeder, suchte in seinen Taschen, brachte ein Zweischillingstück zum Vorschein, wog es sorgfältig in der Hand und ließ es in die Tiefe fallen.
Eine lange, lange Zeit lauschte er, dann tönte ein schwaches metallisches Klingen bis zu ihm herauf.
»Neun Sekunden!« Er sah Olga an. »Ziehen Sie von der Schnelligkeit eines fallenden Körpers die Geschwindigkeit ab, mit der sich der Schall verbreitet, und sagen Sie mir dann, wie tief dies Loch ist.«
Er stand auf, klopfte den Staub von seinen Knien und ließ die Falltür sorgfältig in ihre Lage zurückgleiten.
»Felsen mag da unten sein«, sagte er, »aber kein Wasser. Ich muß mir mal die Anzahl Ladungen ausrechnen, die nötig sind, um den Brunnen ganz auszufüllen - das wird eine ganz interessante Morgenbeschäftigung sein für jemand, der in seiner Jugend beinahe ein mathematisches Genie gewesen ist.«
Olga Crewe ging schweigend durch das Gehölz zurück. Als sie ins Freie kamen, sagte sie:
»Ich glaube, es ist wirklich besser, Sie zeigen Mr. Reeder den Rest der Sehenswürdigkeiten. Ich bin ziemlich müde.«
Mit einem kurzen Nicken wandte sie sich ab und schritt auf das Haus zu. Mr. Reeder blickte ihr mit einem Blick nach, in dem beinahe Bewunderung lag.
»Rot macht natürlich einen gewaltigen Unterschied«, sagte er halb zu sich selbst, »aber die Stimme zu verstellen - das ist sehr schwierig. Selbst die besten Schauspieler versagen in dieser Hinsicht.«
Margaret starrte ihn an.
»Sprechen Sie zu mir?«
»Mit mir!« entgegnete Mr. Reeder demütig. »Eine schlechte Angewohnheit von mir; ich befürchte, das hängt mit meinem Alter zusammen.«
»Aber Miss Crewe legt doch niemals Rot auf!«
»Wer macht denn das auch - auf dem Land?« erwiderte Mr. Reeder und zeigte mit seinem Spazierstock auf die Mauer, die an dem Abhang entlanglief. »Wo geht's denn da hin? Was ist auf der anderen Seite?«
»Schneller Tod!« antwortete Margaret lachend.
Eine Viertelstunde lang lehnten sie an der Brüstung des niedrigen Walles und blickten auf den schmalen Strand hinunter. Der kleine Kanal, der zu der Höhle führte, erregte sein Interesse. Er fragte, wie tief dieser wäre, und stimmte ihrer Meinung nicht bei, daß er ganz flach sein müsse.
»Das klingt so romantisch: unterirdische Höhlen! - Und der Kanal ist tiefer als die meisten dieser Art. Ich glaube, ich muß die Höhle mal untersuchen. Wie kommt man da hinunter?«
Er sah nach links und rechts. Der Strand lag in einer tiefen, kleinen Bucht und wurde auf der einen Seite durch den steilen Felsenabhang abgeschlossen und auf der anderen durch zerklüftete Felsen, die weit hinaus in die See liefen. Mr. Reeder wies auf den Horizont:
»Sechzig Meilen von hier liegt Frankreich.«
Er hatte die verwirrende Angewohnheit, ein Thema plötzlich abzubrechen.
»Ich glaube, ich werde heut nachmittag eine kleine Forschungsreise unternehmen; der Spaziergang wird ganz gut für mich sein.«
Auf dem Rückweg zum Haus fiel ihm der Badeplatz ein, und er fragte Margaret, ob er ihn sehen könnte.
»Eigentlich wundere ich mich, daß Mr. Daver ihn nicht leerlaufen läßt«, erzählte sie ihm. »Es ist eine riesige Ausgabe. Ich habe gestern die Wasserabrechnungen der Gemeinde durchgelesen; sie berechnet ungeheure Summen, um frisches Wasser heraufzupumpen.«
»Wann ist er denn gebaut worden?«
»Das ist ja das Überraschendste dabei«, entgegnete sie. »Er ist schon vor zwölf Jahren gebaut worden, als man in dieser Gegend von privaten Schwimmbädern überhaupt noch nichts wußte.«
Das Bassin hatte die Form eines länglichen Vierecks. Das eine Ende war mit Fliesen ausgelegt, während Seiten und Boden des entfernteren Endes aus natürlichem Fels bestanden. Ein großer, turmähnlicher Felsen diente als eine Art Sprungbrett. Mr. Reeder ging um das Bassin herum und spähte in das klare Wasser. Am tiefsten war es an dem felsigen Ende, und hier stand er lange Zeit und durchforschte Zoll für Zoll des felsigen Bodens. Dort am Boden des Beckens schien eine Höhlung zu sein, wie tief, konnte er nicht sagen, dort, wo der Felsen überhing.
»Sehr interessant«, sagte Mr. Reeder schließlich. »Ich werde mal zurückgehen und mir meinen Badeanzug holen. Glücklicherweise habe ich ihn
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