062 - Todeskuss vom Höllenfürst
Hand, schlug es mit beinahe andachtsvoller Miene auf und
setzte sich dann vor den präparierten Ziegenschädel.
Fennermann fand auf Anhieb die Stelle.
Die Stimmung im Raum wurde gespenstisch. Das Sonnenlicht
schien hinter den vorgezogenen Gardinen gestoppt und zurückgedrängt zu werden.
Der Wohnraum lag in absoluter Finsternis, nur der Tisch mit den flackernden
Kerzen war ein heller, strahlender Mittelpunkt, auf dem sich der Ziegenschädel
und die bleichen Knochen in merkwürdigem Kontrast zueinander abhoben.
Schweiß perlte auf dem bleichen, angespannten Gesicht des
Warlocks.
Mit zitternden Augenlidern erhob Fennermann sich. Aus
seiner rechten Tasche nahm er ein kleines Taschenmesser, das fast lautlos
aufschnappte. Damit stach er sich ins Handgelenk. Er empfand keinerlei Schmerz.
Schwer und dunkel quollen die Blutstropfen hervor, die er über den ausgelegten
Knöchelchen herunterfallen ließ. Die trockenen Knochen sogen den Lebenssaft
förmlich in sich auf. Das Blut versickerte darin. Pfeifend und heulend riß der
Wind an den Vorhängen.
Ein uneingeweihter Beobachter hätte spätestens in diesen
Sekunden den Verstand verloren oder daran gezweifelt, ob er überhaupt noch bei
Sinnen war.
Vor den Augen des Gnoms flimmerte es. Er hörte den Wind
und nahm den scharfen, bestialischen Geruch wahr, der aus den Kerzenflammen
emporstieg und seine Nase füllte. Es roch nach Schwefel. Satans Atem wehte ihm
aus der Hölle entgegen.
Wie erschöpft sank Fennermann mit einem Mal auf seinem
Stuhl zusammen und legte seinen Kopf schweratmend vor dem Ziegenschädel nieder,
während sein Blut aus der selbst herbeigeführten Wunde weiterhin auf das
Tischtuch tropfte.
Ein seltsamer Taumel hatte von Fennermann Besitz
ergriffen. Er fühlte, daß sich etwas aus seinem Körper löste.
Sein Geist trennte sich von der sterblichen Hülle, aber
dieser Geist hatte die Form seines Körpers, der im Nichts schwebte, federleicht
war und mit dem Toben der Elemente eins wurde.
Er wußte später nicht mehr zu sagen, ob er selbst Hand
angelegt hatte, oder ob unsichtbare Hände die Knöchelchen auf dem schwarzen
Tischtuch bewegt hatten.
Der Wind kam noch mal mit elementarer Gewalt auf und
fegte jetzt über den Tisch hinweg, so daß die beiden Kerzen erloschen.
Dann Stille.
Kein Lüftchen regte sich. Erst jetzt schien Frank
Fennermann wieder zu sich zu kommen. Hatte er das Ritual erfolgreich beenden
können?
Er wußte es nie, wenn er aus dem tranceähnlichen Zustand
erwachte.
Seine Augen öffneten sich. Sofort fiel sein Blick auf den
Knochenkreis, den er selbst gelegt hatte.
Aber da gab es keinen Kreis mehr!
Die Knöchelchen hatten sich verschoben. Die bleichen,
nicht mal fingerdicken Skelettknochen bildeten eine Zahl.
Eine große, deutlich erkennbare Sieben.
Fennermann senkte den Blick.
„Sieben“, murmelte der Warlock, „und heute nacht noch.
Sie alle werden Satans Todeskuß empfangen.“
Er mußte an die blonde Schwedin denken. Sie würde eine
von den sieben sein.
●
Larry Brent war gleich nach dem Frühstück mit seinem
Lotus Europa hinausgefahren, um sich die Gegend näher anzusehen, wo Andrew P.
Weverton wohnte.
Seit dieser Zeit streifte X-RAY-3 durch das Gelände, mit
einem Fernglas bewaffnet, und beobachtete das Grundstück des Millionärs, über
den O’Connor so Merkwürdiges zu berichten wußte.
Larry war nicht ganz glücklich über den Verlauf der
Dinge. Er konnte sich während seiner Tätigkeit für die PSA an keinen Fall
erinnern, der ihn so intensiv und erfolglos beschäftigte wie die Sache, die er
jetzt auf der Spur war. Es gab nicht eine einzige handfeste Spur.
Um die Mittagszeit schließlich schien jedoch etwas Klarheit
ins Bild zu kommen, das Morna bruchstückweise entwickelt hatte.
Eine Nachricht von X-RAY-1 aus New York nahm Larrys
Aufmerksamkeit in Anspruch.
„Ich beschnuppere die Gegend und versuche herauszufinden,
was Weverton alles anstellte“, maulte Larry, als der geheimnisvolle Leiter der
PSA ihn bat, zunächst Bericht zu erstatten. „Bis jetzt hat er noch niemand
empfangen, der aussieht wie ein Henker und die Absicht hat, junge Frauen mit
ihm gemeinsam aus der Welt zu schaffen.“
„Dennoch wäre es gut, Weverton vielleicht auf den Zahn zu
fühlen“, wandte X-RAY-1 ein. „Seit einer halben Stunde wissen wir mehr,
X-RAY-3. Zwar entzieht es sich noch unserer Kenntnis, wer der Hauptdrahtzieher
ist, doch scheinen eine ganze Menge Leute mit von der Partie zu sein. Unser
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