0621 - Weckt die Toten auf!
auf den Gang hinaustraten; zu Zamorras Bedauern bewohnte Mylady die gleiche Etage.
»Wozu?« fauchte Mylady. »Die ist doch sowieso durch und durch korrupt !«
»Aha«, sagte Zamorra. »Sie scheinen ja schon einschlägige Erfahrungen mit den Bewohnern dieses Landes und dieser Stadt gemacht zu haben…«
Sein Sarkasmus entging ihr. »Jawohl!« stieß sie hervor. »Diese ganze Stadt ist ein einziger großer Pfuhl des Verbrechens, der Sünde und der Abscheulichkeiten !«
»Und weshalb sind Sie reiner Engel dann hier?« fragte Zamorra schnell, während sie sich der Suite näherten. Derweil begann Nicole bereits die Bluse abzustreifen - in diesem Fall weniger der Versuch, Zeit zu sparen, sondern reine Provokation.
Prompt mußte Eva noch eins draufsetzen, indem sie Nicole festhielt, am Ausziehen hinderte, ihr einen Kuß aufschmatzte und laut flüsterte: »Nun warte doch, Schatz, bis wir im Zimmer sind…«
Zamorra verdrehte die Augen.
»Sehen Sie?« ereiferte sich Mylady sofort. »Das ist es, was ich meine! Hören Sie sofort damit auf! Das hier ist ein anständiges Hotel!«
»Voller diebischer Zimmermädchen«, grinste Zamorra spöttisch.
Aber im gleichen Moment, als sie um eine Korridorbiegung schritten und nur noch ein paar Meter von der Suite entfernt waren, machte Mylady eine Beobachtung und - schrie auf: »Mein Zimmer!«
Um mit der Vehemenz eines erzürnten Nashorns vorwärtszustürmen…
***
Rosita war zeitweise nicht sicher, ob es richtig war, was sie tat. Zuweilen setzte ihr Denken einfach aus, und danach fragte sie sich, wo sie war und was sie machte. Flashlights. Ihr Wachbewußtsein schien ähnlich wie ein Stroboskop zu arbeiten. Wenn auch nicht ganz so rasant, sondern eher in größeren Abständen.
›Hell‹ und ›Dunkel‹ wechselten sich ab.
Bei ›Hell‹ konnte sie sich nur vage an ihre Vergangenheit erinnern, wußte kaum mehr als den Namen des Mannes, dem sie ins Hotelzimmer gefolgt war. Scheinbar hatte sie ihn früher sehr gut gekannt. Er schien ihr sehr freundlich gesinnt zu sein und ihr helfen zu wollen.
Bei ›Dunkel‹ wußte sie, daß sie einen Auftrag zu erfüllen hatte. Noch bis vor kurzer Zeit hatte sie davon nichts gewußt. Ihr war nur klargewesen, daß jemand ihr ein neues Leben geschenkt hatte. Kein Leben im Jenseits, im Paradies, sondern im Diesseits, im irdischen Jammertal. Sie schien tot gewesen zu sein. Aber plötzlich wußte sie, daß sie etwas zu erledigen hatte. Sie mußte einen Menschen töten. Einen ganz bestimmten Menschen. Paco da Canaira. Im Auftrag ihres Herrn.
Zwischen diesen beiden Bewußtseinszuständen schaltete sie hin und her, ohne zu begreifen, wie das möglich war, und auch ohne den geringsten Einfluß darauf zu haben.
Bei ›Hell‹ war sie dem Mann Pablo gefolgt. Aber als sie das Hotelzimmer betraten, schaltete ihr Bewußtsein wieder einmal um auf ›Dunkel‹, und etwas in ihr raunte, daß sie sich mit Pablo nicht abgeben sollte. Er war nur ein Störfaktor auf dem Weg zur Erledigung ihres Auftrages.
Immerhin war es nicht dumm, daß er sie hierhergebracht hatte. Duschen, ein Kleid… dann fiel sie durch Geruch und Aussehen nicht mehr so auf, daß sie sich in den Straßen von Menschen fernhalten mußte, um nicht auf die eine oder andere Weise Verdacht zu erregen. Und es würde ihr auch leichterfallen, in das Haus des Mannes zu gelangen, den sie töten sollte.
Aber Pablo konnte sie jetzt nicht mehr gebrauchen. Er stand ihr im Weg. Er würde nicht verstehen, was sie tun mußte.
Vor allem mit seiner Besorgtheit war er mehr als hinderlich. Also brach sie ihm, als sie ging, mit schnellem Griff das Genick.
Aber als sie in den Korridor hinaustrat, sah sie, daß sie es nicht richtig gemacht hatte. Er lebte ja noch!
Das ließ sich korrigieren. Sie wandte sich um, wollte ihn endgültig töten - als eine Gruppe von Menschen um die Korridorecke kam. Direkt auf Rosita zu. Und eine der Frauen brüllte zornig auf: »Mein Zimmer!« Sofort stürmte sie heran.
Rosita blieb nur noch die Flucht, denn sonst konnte sie ihren Auftrag bestimmt nicht mehr erfüllen. Blindlings spurtete sie in die andere Richtung davon.
***
Etwas stimmte nicht!
Zamorra spürte es im gleichen Augenblick, in dem er das Mädchen sah. Sein Amulett, das er am Silberkettchen unter dem offenen Hemd trug, erwärmte sich; ein untrügliches Zeichen für das Vorhandensein Schwarzer Magie. Die Anzeige war nur sehr schwach, aber…
»Und mein Kleid!« kreischte Mylady derweil. »Diebesgesindel,
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