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0621 - Weckt die Toten auf!

0621 - Weckt die Toten auf!

Titel: 0621 - Weckt die Toten auf! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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Deshalb dachte ich doch, du wärst tot. Ich habe in der Zeitung davon gelesen. Aber da ist ja nicht mal eine Narbe.«
    »Ein Unfall?« fragte sie langsam. »Ich erinnere mich nicht.«
    »Nun, wir werden Zeit haben, darüber zu reden«, sagte er. »Komm jetzt einfach mit. Ich zeige dir das teuerste Hotel von Rio…«
    Er nahm sie bei der Hand.
    Der Gestank war beinahe fort. Es war tatsächlich der zerschlissene Kittel gewesen.
    Das Totenhemd.
    ***
    Am Strand hatten Zamorra und die beiden Frauen es nicht sehr lange ausgehalten. An der Uferpromenade genossen sie den malerischen Anblick der Paläste, die fast völlig vergessen ließen, daß nur wenige hundert Meter weiter die Favelas lagen, die einfachen Hütten der Armen. An der Avenida Atlantica, an der sich die besten und teuersten Hotels befanden, postierten sich bereits, in allabendlichem Ritual, in unmittelbarer Nähe der Hoteleingänge zahlreiche Polizisten, die allein durch ihre Anwesenheit die Malandros fernhalten sollten, die schlechten Menschern, die aus ihrer Not eine Tugend zu machen hofften und teilweise sogar sportlichen Ehrgeiz darin entwickelten, Touristen zu bestehlen… Nur, wo das Auge des Gesetzes gerade nicht hinschaute, ließ sich auch niemand abschrecken.
    Überall standen oder saßen Menschen unterschiedlichster Hautfärbungen, palaverten, lachten, tranken, feierten, hier und da wurde zum Lärm der Kofferradios getanzt. In Rio gibt es immer einen Grund zum Feiern -und wenn es der ist, daß man erst gestern gefeiert hat. »Nur ein sehr trauriges Volk kann so heiter sein«, hatte einmal jemand behauptet, und war die beträchtliche Massenarmut nicht ein triftiger Grund, traurig zu sein?
    Dabei ist in Brasilien Armut nur eines der vielen Probleme. Kaum weniger traurig ist eine Art Rassismus - je dunkler die Hautfarbe, desto geringer das Ansehen. Was sich wiederum auf die Armut auswirkt: wer gibt schon einem Mulatten Arbeit, wenn er einen Hellhäutigen beschäftigen kann? Speziell in den Hotels, Bars und den unzähligen Dienstleistungsbetrieben…
    Die drei ›arbeiteten‹ sich zur Porta ›Do Apoodor‹ voran, wo die Copacabana endet und Ipanema beginnt, der als ›besonders edel‹ geltende Strandbereich mit den exklusivsten Nachtclubs in denen um diese IJ hrzeit natürlich noch nichts möglich war. Dahinter der Leblon-Strand, an dem die ›Gatinhas‹, die Kätzchen, die winzigsten Tangas tragen und Nicole im Karnevals-Outfit vermutlich doch nicht mehr sonderlich aufgefallen wäre…
    Aber irgendwie war das alles nicht das richtige. Sich ins Wasser zu werfen und ein paar Runden zu schwimmen, um das kühle Naß zu genießen, dazu war hier nicht die rechte Atmosphäre für unsere Freunde. Je weiter sie vorankamen, um so mehr ging es um Sehen und Gesehenwerden, um Körperkult und Sex. Schließlich brachen sie die Tour ab und begannen nach einem brauchbaren Restaurant zu suchen, um sich zumindest in dieser Hinsicht für die kommenden Stunden zu stärken.
    Zielsicher spürte Zamorra in der Rua Prudente da Morais das ›Lestreghe‹ auf, eines der nobelsten und teuersten Lokale. Die legere Strandkleidung störte niemanden, und auf der Speisekarte tippte Eva erst einmal blindlings auf Feijoada.
    Zamorra schmunzelte.
    »Das ist der Beweis«, stellte er fest.
    »Wofür?«
    »Daß du noch nie hier gewesen bist«, erklärte er. »Das ist ein wahres Festessen, eine Art Bohneneintopf mit wenigstens zwanzig verschiedenen Gewürzen, Fleischsorten, Reis, Kohl, Orange… praktisch alles, was die Vorratskammer hergibt, kommt da hinein. Es wird traditionell nur samstags gegessen, weil man den ganzen Sonntag braucht, um es in Ruhe zu verdauen, so fett ist das Gemisch. Wie wär's statt dessen mit Cozida oder moqueca de peixel«
    »Peixe klingt nach Fisch«, warf Nicole ein.
    »Verschiedene Fischsorten, verschiedene Gewürze und verschiedene Saucen - auch eine herrlich bunte Mischung, aber wesentlich bekömmlicher«, behauptete Zamorra. »Ich werde mich jedenfalls auf Linguaggio beschränken - Seezungenfilet.«
    »Zu Fisch gehört Wein«, überlegte Nicole.
    »Zu teuer!« warnte Zamorra. »Bier ist weniger stilvoll, aber spottbillig, Wein ist unglaublich teuer, Whisky unbezahlbar und Champagner so diabolisch schlecht, daß du damit sogar Lucifuge Rofocale vergiften könntest. Es heißt, in Rio sei das Essen furchtbar schlecht - stimmt nicht; in den USA, in Deutschland und vor allem England ist es wesentlich schlechter. Was hier sauschlecht ist, sind die Getränke…

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