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0622 - Das Monstrum von der Nebelinsel

0622 - Das Monstrum von der Nebelinsel

Titel: 0622 - Das Monstrum von der Nebelinsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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sich eine unheimliche und gewaltige Gestalt.
    Ein Reiter, ein Monstrum, ein mehlweißes Knochengestell, das auf einem ebenfalls mehlweiß schimmernden Pferd saß. Turmhoch ragte die Gestalt in die Bläue des Himmels hinein und füllte die V-formige Spalte beinahe aus.
    Melu kam sich so unendlich klein vor. Sie hatte immer damit gerechnet, nur Gutes auf der Insel zu sehen, jetzt saß die Enttäuschung tief wie ein Stachel.
    Der Reiter riß sein helles Pferd auf die Hinterhand. Er schoß vor ihr in die Höhe. Obwohl er ziemlich weit entfernt war hatte sie das Gefühl, ihn anfassen zu können.
    Ein bleiches Gesicht. Ob mit Haut oder ohne, das war nicht zu erkennen. Melu raffte ihren ganzen Mut zusammen. »Wer bist du?« schrie sie dem Reiter entgegen.
    »Ich bin Julien de Lacre, der Schattenreiter, der Wanderer, der düstere Wächter. Ich bin dein Ahnherr, Melusine.«
    ***
    Die junge Frau war wie vor den Kopf geschlagen. Sie stand auf dem Fleck und glich nur das Schaukeln der Wellen aus. Auf einmal wünschte sie sich, wieder blind zu sein, weil die Gestalt eben so schrecklich war.
    Sie war der personifizierte Schrecken, das Grauen an sich, und sie gehörte zu ihrem Stammbaum. Er war möglicherweise der Gründer, mit ihm hatte das Geschlecht der de Lacres begonnen.
    Das konnte sie nicht fassen, es wollte einfach nicht in ihren Kopf, und sie kam sich vor, als hatte sie jemand in ein Gefäß mit Eis gesteckt. Melu fror trotz der Wärme. Die Kälte kroch von unten her in ihre Beine und weiter hoch. Sie umkrallte das Herz mit eisigen Fingern und erschwerte ihr das Atmen und nur röchelnde Laute drangen aus ihrem Mund.
    Der Reiter tat nichts. Er kam Melu auch nicht vor wie eine lebendige Person. Aufrecht erinnerte er an ein Standbild das aus einem Schatten geschaffen worden war. Julien de Lacre hatte sich etwas zur Seite gebeugt, damit der sie genau ansehen konnte, und sein Blick besaß etwas Gnadenloses wie sie meinte. Auch an die Stimme konnte sich die junge Frau erinnern. Es war die gleiche gewesen, die ihr den Weg gewiesen und ihr ein so großes Vertrauen eingeflößt hatte.
    Doch nun war das Vertrauen erschüttert. Sie konnte sich einfach nicht mehr konzentrieren und brachte gleichzeitig nicht den Mut auf, wieder zurückzurudern.
    So blieb sie in ihrem Boot stehen, das auf den Wellen dümpelte.
    Avalon, die Nebelinsel, war vergessen, für Melu gab es nur ihren unheimlichen Ahnherrn, der längst hatte tot sein müssen.
    Melu wunderte sich selbst darüber, woher sie den Mut nahm, eine Frage zu stellen. »Bist du tot?« rief sie ihm so laut wie möglich entgegen. »Bist du gestorben?«
    Er ließ sich Zeit mit der Antwort. Zuvor lachte er. Dann dröhnte ihr seine Stimme entgegen. »Du hast dich nie mit der Insel beschäftigt. Man stirbt nicht in Avalon, meine Liebe. Sie wird oft die Insel des Todes genannt, das ist nicht wahr, denn wer sie einmal betreten hat, der bekommt die Unsterblichkeit. Das solltest du als eine de Lacre wissen. Deine Eltern jedenfalls haben es gewußt und auch alle de Lacres davor, denn ich habe vor mehr als siebenhundert Jahren den Anfang gemacht und den Weg zur Insel gefunden.«
    »Warst du der erste?«
    »Nein, es gab noch andere Menschen, die nur mehr in den Sagen vorkommen, deren Verschwinden man nicht nachvollziehen wollte oder konnte. Sie alle kennen die Insel der Lebende, nicht der Toten, wie sie irrtümlich genannt wird.«
    »Wie konntest du?«
    Da lachte er »Es war nicht einmal so schwer. Damals konnte man die Wege leichter finden, denn zu meiner Zeit waren viele Völker auf der Suche. Kreuzritter, Templer, Katharer, sie alle suchten nach der Heiligen Quelle, die alle wollten den Gral in seinen Besitz bringen, doch die Schale, die das Blut Christi auffing, hat bisher noch niemand gefunden.«
    Heftig widersprach Melu, die es geschafft hatte, ihre Angst abzustreifen. »Doch, ich habe ihn gefunden. Ich bin in den Gral hineingetaucht. Er zeigte mir den Weg hierher.«
    »Hör genau zu, Melusine. Es ist der Dunkle Gral und nicht der Heilige Gral. Da gibt es schon Unterschiede.«
    »Dann, dann weißt du auch nicht, wo sich der Heilige Gral versteckt hält?«
    »Nein.«
    »Und der Dunkle Gral, den ich gesucht und auch gefunden habe? Ich vermisse ihn.«
    »Er hat den Weg bereits gefunden.«
    Melu begriff sehr schnell. »Soll das heißen, daß er sich auf der Insel befindet?«
    »Ja.«
    Sie war beglückt. Sie hatte große Furcht davor gehabt, den Gral zu zerstören, und sie sah nun keinen Grund, ihrem

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