0622 - Das Monstrum von der Nebelinsel
Wannenrand und blieb dort hocken.
Sehr langsam bewegte ich den Kopf nach vorn. Die Hände kamen ihm entgegen. Ich umfaßte meine Wangen. Die Haut war längst nicht mehr so fest wie noch vor einem Tag oder einer Stunde. Sie fühlte sich weich an, man konnte sie kneten.
Dann überkam es mich.
All die Trauer, der Schmerz, das Elend, sie wallten in mir hoch und trieben mir die Tränen der Verzweiflung und der Furcht in die Augen. Ich war ein geknickter Mensch, eine Person ohne Zukunft, dem Alterstod näher als dem Leben.
Furchtbar.
Die Angst ließ mich zittern. All das, auf das ich in meinem Leben vertraut hatte, war für mich verloren. Der Dunkle Gral hatte sich als einen gefährlichen Bumerang erwiesen. Hätte ich jetzt die Chance gehabt, mein Leben neu anzufangen, verdammt, ich hätte sie genutzt und wäre von Beginn an Aussteiger geworden. Weg auf eine einsame Insel, dort hocken, keinen hören und sehen.
Keinen sehen?
Mein Gehirn funktionierte noch. Siedendheiß fielen mir meine Freunde ein.
Suko, die Conollys, Jane Collins, die Horror-Oma Sarah Goldwyn, Glenda Perkins, Sir James, um nur einige zu nennen. Aber auch der Eiserne Engel und Myxin gehörten dazu.
Keiner von ihnen hatte sich in der Stunde meiner größten Niederlage bei mir eingefunden, um mir zu helfen.
Aber konnte ich ihnen einen Vorwurf machen? Nein, sie waren mit anderen Aufgaben beschäftigt gewesen. Ich durfte mich einfach nicht beschweren, es war gekommen, wie es hatte kommen müssen.
Irgendwo hat jeder Mensch sein ganz persönliches Schicksal, in das kein anderer hineinreden kann. Nicht der beste Freund, die Ehefrau oder der Ehemann.
Da mußte man allein durch, auch ich.
Noch immer hockte ich auf dem Rand der Wanne, den Oberkörper vorgebeugt, den Rücken leicht gekrümmt. Ich starrte ins Leere, meine Augen brannten, die Wangen waren tränennaß. Irgendwann stand ich auf. Wieviel Zeit vergangen war, wußte ich nicht. Jedenfalls fand ich mich in meinem Wohnraum wieder, wo alles noch so stand, wie ich es auch als junger Mensch her kannte.
Nur der schmale Schrank mit den beiden Türen stand offen. Dort hatte der Dunkle Gral gestanden, die Verbindung zwischen dem Kelch des Feuers und der geheimnisvollen Kugel der ermordeten Hellseherin Tanith. Erst beide Teile hatten den Dunklen Gral ergeben.
Noch lag der silberne Bumerang in einem der Fächer. Auch eine Waffe, die mir keine Hilfe gebracht hatte. Jeder hatte mich verlassen.
Das Kreuz, die Beretta, der Dolch.
Wieder übermannte mich die Verzweiflung, als ich daran dachte.
Ich preßte die Hand gegen meine Augen, ohne allerdings den Strom der Tränen unterdrücken zu können.
Diesmal allerdings riß ich mich zusammen. Verdammt, ich mußte etwas tun.
Fragte sich nur, was?
Eine Lösung wußte ich nicht. Zudem gestand ich mir ein, daß ich kaum die Kraft besaß, den Gral zurückholen zu können. Zudem wußte ich nicht, wo er sich befand.
Ich dachte darüber nach und kam zu einem sehr vagen Ergebnis.
Der Gral und die geheimnisvolle Nebelinsel Avalon mußten irgendwo eine Verbindung besitzen. Es konnte durchaus sein, daß ich den Gral, wollte ich ihn zurückhaben, in Avalon suchen mußte.
Gab es die Insel überhaupt?
Viele behaupteten es. In den alten Legenden und Sagen ist sie erwähnt worden. Der keltische Mythos hatte sie aufkommen lassen, und sie war dann von zahlreichen Rittern und Edelleuten übernommen worden. Aber die hatten sich schon in ihrer Zeit fast totgesucht.
Zudem fühlte ich mich körperlich nicht dazu in der Lage, große Strapazen durchzuhalten. Ich hatte mit der Suche angefangen, ohne auch nur den Hauch eines Erfolges zu sehen.
Und sie meinen Freunden überlassen?
Nein, das wollte ich nicht. Ich wollte keinen sehen. Weder Suko, Jane noch Bill.
Nein, niemals. Ich… ich würde verschwinden. Fortgehen aus dieser verdammten Wohnung und mich irgendwo in der Millionenstadt London verstecken.
Ja, das war das einzig richtige!
Als ich diesen Entschluß gefaßt hatte, spürte ich so etwas wie Energie, die zurückkehrte. Zwar nicht die alte Kraft, aber ich hatte ein Ziel, das war immerhin etwas.
Ich ging ins Schlafzimmer. Nein, ich ging nicht, ich schlurfte, wie sich ein alter Mann bewegte, der zudem noch deprimiert ist. Der Raum war mir bekannt, dennoch kam er mir in diesen Minuten fremd vor wie die gesamte Wohnung, in der ich all die Jahre über gelebt hatte. Nein, sie war nicht mehr mein Zuhause.
Als ich mich reckte, um auf den Schrank zu greifen, wäre ich fast
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