063 - Das Monster lebt
denen, die auf Ihnen herumhacken, zeigen, daß sie das nicht ungestraft tun dürfen, werden sie damit aufhören und Ihnen die Achtung entgegenbringen, die Ihnen gebührt.«
Der auf Frankenstein-Monster geschminkte Schauspieler grinste. »Sie sind besser als der Trainer, der seinen angeschlagenen Boxer in der Pause wieder aufbaut.«
»Es widerstrebt mir, zu sehen, wie ungerecht Sie behandelt werden. Sie müssen diese Leute schrecklich hassen.«
»O ja, das tue ich, aber das bleibt unter uns.«
»Das versteht sich doch wohl von selbst, Mr. Thaw.«
»Ich würde ihnen am liebsten die Schädel einschlagen - Lauren Portofino, Ben Coltrane, Gregory Waterman… Allen, die denken, mich wie den letzten Dreck behandeln zu können.«
»Es würde Ihnen sehr viel geben, wenn Sie sich revanchieren könnten, nicht wahr?«
»Natürlich würde es das!« tönte der Schauspieler. Diese Cuca wurde ihm von Minute zu Minute sympathischer. »Es ist eine Schmach, vor diesen Trotteln auf dem Bauch liegen zu müssen.«
»Das müßten Sie nicht. Ich wüßte jemanden, der Ihnen helfen könnte. Wenn Sie sich ihm anvertrauen, kann niemand mehr so wie bisher mit Ihnen umspringen.«
»Sie machen mich neugierig«, sagte Thaw.
»Hören Sie sich das Angebot an und entscheiden Sie dann, ob Sie es annehmen oder ablehnen wollen.«
»Wessen Angebot? In wessen Auftrag sind Sie hier?«
Cuca begab sich zum Schminktisch. Auf einem Kreuzworträtselheft lag ein Kugelschreiber. Mit ihm schrieb sie auf den weißen Rand des Heftes eine Adresse.
»Kommen Sie heute abend dorthin, dann wird Ihnen geholfen.«
»Sie tun aber ziemlich geheimnisvoll, Miß Cuca. Wer wird mir helfen? Auf welche Weise? Was soll es mich kosten?«
Cuca beantwortete nur die letzte Frage. »Nichts. Die Hilfe ist gratis. Sie wären dumm, wenn Sie diese einmalige Gelegenheit nicht nützen würden. Wenn Sie uns vertrauen, liegen in Kürze die anderen vor Ihnen auf dem Bauch.«
Der Schauspieler lachte. »Mann, wäre das großartig.«
Die Hexe ließ Thaw allein. Sie war davon überzeugt, daß er kommen würde. Ein neuer teuflischer Plan würde aufgehen.
***
Zwei Stunden nach diesem Schock in der Aufbahrungshalle waren wir immer noch alle betroffen. Wir hatten uns in meinem Haus eingefunden. Pater Severin, Cruv, die Mitglieder des »Weißen Kreises«, Roxane, Vladek Rodensky, Mr. Silver, Vicky Bonney…
Es waren nicht genügend Sitzgelegenheiten vorhanden, aber es wollte ohnedies keiner sitzen.
Lance Selby - verschwunden! Das war ein echter Hammer, ein Brocken, der uns hart im Magen lag.
»Kann ich irgend etwas tun, Herr?« fragte Boram.
Ich schaute den Nessel-Vampir an und schüttelte den Kopf. »Nein. Oder bist du in der Lage, die Leiche unseres Freundes wiederzubeschaffen?«
Natürlich konnte er das nicht. Er hob bedauernd die Nebelschultern.
Als auch noch Dean McLaglen, Tucker Peckinpahs Rechtsanwalt, Professor Bernard Hale und sein Lieblingsschüler Chai Kai eintrafen, bekam ich fast schon so etwas wie Platzangst.
»Mindestens einer ist hier jetzt zuviel«, sagte ich zu Vicky Bonney, »deshalb werde ich mich verdrücken und mich nützlich machen. Du kümmerst dich inzwischen um unsere Freunde.«
»Was hast du vor?«
»Ich will versuchen, herauszufinden, wo Lance ist.«
»Soll Mr. Silver dich nicht begleiten?«
»Das ist nicht nötig. Ich stelle bloß ein paar Leuten ein paar Fragen.«
»Viel Glück, Tony«, sagte Vicky und hauchte mir einen Kuß auf die Wange.
Ich ließ meinen Blick noch mal kurz durch das zum Bersten volle Wohnzimmer schweifen, dann ging ich, und keinem fiel es auf.
Meine finstere Miene paßte zum schwarzen Anzug, den ich immer noch trug. Es gab keinen Grund, ein heiteres Gesicht zu machen.
Ich setzte mich in den Rover und fuhr los. Mein Ziel war die Klinik, in der unser Freund gestorben war.
Nachdem ich kurz mit dem Chefarzt gesprochen hatte, verwies dieser mich an seinen Kollegen in der Prosektur. Es gehörte ein guter Magen dazu, wenn man sich dort sein Geld verdienen wollte.
Es wurde gerade an zwei Toten gearbeitet. Ein Mann schöpfte Blut aus dem Bauchraum der einen Leiche und füllte diesen anschließend mit Sägemehl. Der Hals des andern Toten wurde mit Holzwolle ausgestopft.
Man machte das, damit später kein Blut aus dem Sarg rinnen konnte. Der Formalingeruch, der die Luft hier schwängerte, war mir unangenehm. Ich war jedoch davon überzeugt, daß die Männer, die hier arbeiteten, ihn überhaupt nicht mehr wahrnahmen.
Sie stellten
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