063 - Das Rätsel der Insel
bevor Aruula zu einer Erwiderung ansetzen konnte.
»Möglicherweise«, antwortete Matt und senkte seine Stimme.
Die Wächter vor der Zelle machten zwar einen desinteressierten Eindruck, aber Vorsicht konnte nicht schaden. »Ich bin diesem geheimnisvollen Burgherrn drei Mal begegnet. Das erste Mal mit euch zusammen, als er am Lagerfeuer erschien…«
»Das war er?«, fragte Aiko.
»… das zweite Mal, kurz nachdem wir getrennt wurden. Das dritte Mal begegnete er mir in einer anderen Gestalt, was bedeutet, dass er nicht an eine stoffliche Erscheinung gebunden ist.«
»Also doch ein Geist«, beharrte Aruula.
»Ein Fleisch gewordenes Trugbild«, stellte Matt richtig, »das nur dann eine feste Form annimmt, wenn wir es berühren. Das fiel mir auf, als ich mit dem Driller auf einen der Krieger schoss: Das Projektil ging glatt durch ihn durch.«
»So wie bei der Mauer!«, erinnerte sich Aiko. »Als wir sie mit unseren Händen und dem Messer bearbeitet haben, bot sie uns Widerstand. Aber ein kleiner Stein, den ich dagegen schnippte, verschwand spurlos! Wie ist das möglich? Von einer solchen Technik habe ich noch nie gehört.«
»Ich schon«, erwiderte Matt. »Okay, zumindest kenne ich das Prinzip - aus einer Fernsehserie meiner Zeit. Dort gab es eine Hologramm-Technik, die Materie nur da fest werden ließ, wo der Besucher mit ihr in Kontakt kam.«
»Und du denkst, diese Drehbuchfantasien ließen sich auf unsere Situation anwenden?«, fragte Aiko, der mit dem Konzept des Fernsehens vertraut war, skeptisch.
»Vielleicht ist der Herr der Festung ein heimlicher Trekkie?«, grinste Matt, erntete aber nur verständnislose Blicke.
»Und was ist mit ihm selbst?«, fragte Aruula. »Ist er auch ein Gei… nicht wirklich da?«, verbesserte sie sich rasch.
»Das glaube ich nicht«, sagte Matt. »Irgendwer muss ja für diese Projektionen verantwortlich sein. Nein, ich denke, das einzige echte Lebewesen, das sich außer uns dreien in dieser Festung aufhält, ist der mysteriöse Herr dieser Insel. Auch wenn er bisher nur Trugbilder von sich geschickt hat.«
»Etwas passt nicht in deine Theorie«, fiel Aiko ein. »Wenn das tatsächlich nur Illusionen sind, warum haben sie dann ein Wärmebild?«
Matt zog die Augenbrauen hoch. »Haben sie?«
»Ich hab’s getestet, als sie uns vorhin abführten.«
»Hm.« Matthew überlegte. »Dabei mussten sie eine feste Form annehmen, um euch an einer möglichen Flucht zu hindern. Wie sieht es jetzt aus, wahrend wir hinter Gittern sind?«
Aiko trat an die Eisenstäbe und nahm die Wächter ins Visier.
Als er seine Implantate auf Wärmemodus umschaltete, entfuhr ihm ein leises Ächzen.
»Ich hatte Recht«, vermutete Matt.
»Was siehst du?«, wollte Aruula wissen.
»Da sind zwei gelbrote Flecken - die Fackeln, die an der Wand hangen. Sonst ist kein Wärmebild auszumachen. Es ist, als…«
»… als waren sie gar nicht da«, brachte Matt den Satz zu Ende.
»Das bestätigt meine Vermutung.«
Aiko wiegte den Kopf. »Wir sollten uns aber nicht zu sehr darauf verlassen«, meinte er. »Vorsichtshalber.«
»Genau!«, bekräftigte Aruula. »Vielleicht ist es ja doch ein Dämon!«
Aiko und Matt sahen sich an und sagten im stummen Einverständnis nichts dazu.
***
Die Zeit der Ruhe war vorbei, als plötzlich wieder Batai und seine Schergen vor der Zellentür erschienen. Schweigend machten sich die Bewaffneten am Gitter zu schaffen und öffneten es. Sechs von ihnen kamen herein und ergriffen Matt und seine Freunde.
»Was soll das?«, erkundigte sich Matt, während sich Aruula heftig gegen den Griff ihrer Häscher wehrte.
»Schweig!«, wies Batai ihn an. »Ich habe dir bereits gesagt, dass du dich in Geduld üben musst. Ihr werdet alles erfahren«, versicherte der Mongole. »Aber jetzt werdet ihr schweigen.«
Damit gab er seinen Leuten ein Zeichen, und die drei Gefährten wurden aus der Zelle und aus der Höhle mit den Kerkerzellen geführt. Wieder ging es durch ein endlos scheinendes Labyrinth von Stollen, die sich immer tiefer in den Berg bohrten.
»Seht ihr das Licht?«, fragte Aiko plötzlich und fing sich für seine Bemerkung gleich einen Stoß in den Rücken ein.
Matt benötigte noch eine Minute, bis auch er es registrierte: Neben dem Schein der Fackeln, die ihre Bewacher mit sich trugen, drang von vorn ein anderer Schimmer in den Gang.
Sie hätten ihn wahrscheinlich gar nicht bemerkt, wenn seine Färbung nicht gewesen wäre.
Matt lief ein Schauder über den Rücken. Es war ein
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