0637 - Nackt in die Hölle
sich der Teufel so schrecklich gerächt, es aber nicht geschafft hatte, sie für immer auf die Seite der Hölle zu bannen.
Jane war von diesem unseligen Fluch wieder befreit worden, lebte normal, jedoch mit dem Bewusstsein, dass noch eine andere Kraft tief in ihrem Innern lauerte.
Zudem wollte sie wieder an John Sinclairs Seite mitmischen wie früher. Allein deshalb musste sie mehr über sich und ihre Fähigkeiten erfahren, wobei sie natürlich hoffte, dass die geheimnisvolle Ruferin ihr Auskunft geben konnte. Aus der unmittelbaren Nähe sah schließlich alles anders aus.
Aber wer war die namenlose Person?
Eine Artverwandte irgendwie, mehr konnte Jane Collins auch nicht sagen. Sie war einfach nur gespannt und fragte sich natürlich auch, ob sie eine lebende Person oder nur ein Geistwesen antreffen würde.
»Schläfst du?«
Jane hatte die Augen tatsächlich geschlossen gehabt, als der junge Mann sie fragte. »Warum?«
»Nur so.«
Sie öffnete die Augen und sah, dass der Knabe ein Stück in ihre Richtung gerutscht war und ihr jetzt direkt gegenübersaß. Provozierend schaute er ihr in die Augen.
»Habe ich was an mir?«
»Ja.«
»Und was, bitte schön?«
Der Kerl veränderte seine Haltung nicht. »Es sind deine Augen, weißt du? Deine Augen.«
»So? Was ist damit? Sie sind für mich normal. Mal blau, mal grau und so weiter.«
»Das mag ja sein«, flüsterte er, »aber sie sind trotzdem anders, wenn du verstehst.«
»Sorry, ich habe keine Ahnung, was Sie meinen.«
Mit dem Zeigefinger deutete er auf ihr Gesicht. »Es sind keine normalen Augen, sondern Hexenaugen. Ja, das sind Hexenaugen, so etwas spüre ich genau.«
Jane schaffte ein spöttisch klingendes Lachen. »Dann sind Sie schlauer als ich.«
»Ich heiße übrigens Ritchie«, sagte der Knabe. Er presste sich wieder gegen das Rückenpolster.
»Wie schön für Sie.«
»Und wie heißt du?«
Es störte Jane nicht, dass er sie duzte, aber ihren Namen wollte sie ihm nicht sagen. »Weshalb interessiert Sie das?«
»Weil ich wissen will, wie die Hexe heißt, die mir gegenübersitzt. Komisch, nicht?«
»Das ist Ihr Problem.«
»Nein, nicht mehr. Du bist anders, ich spüre es genau. Wir haben sicherlich das gleiche Ziel.«
»Ich weiß nicht, wohin Sie fahren wollen. Außerdem interessiert es mich nicht.«
»Ins Hexen-Museum.«
»Wirklich?«
Er lachte breit. »Du nicht?«
Jane ließ ein paar Sekunden verstreichen. Sie war sich über die Rolle ihres Gegenübers nicht im Klaren. Meinte der junge Mann es ernst, oder spielte er ihr etwas vor? Dem Äußeren nach gehörte er zu den Typen, die auf mystische Dinge abfuhren, und er passte auch als Besucher in dieses Museum hinein.
»Willst du es nicht sagen? Okay, du fährst hin. Das spüre ich, glaub mir.«
»Kann sein.«
»Klasse.« Er klatschte in die Hände. »Hexen gehören dorthin, verstehst du?«
»Woher wissen Sie denn, dass ich eine Hexe bin?«
»Das spüre ich, Baby. Das spüre ich genau. Du strahlst etwas ab, das tief in deinem Innern verborgen liegt. Das ist wie ein alter Fluch oder ein Erbe des Teufels.«
»Sie spinnen.«
Ritchie lächelte nur, schaute dann aus dem Fenster, denn der Bus stoppte an einer Haltestelle. Zwei Frauen mit Einkaufstüten stiegen aus, drei andere ein. »In der Woche ist wenig los, Süße. Da bist du zwar nicht allein im Museum, aber du kannst dich sehr gut umsehen und alles genießen.«
»Waren Sie schon dort?«
»Klar.« Ritchie nickte heftig. Sein Gesicht zeigte jetzt einen Ausdruck von Stolz. »Ich bin jeden Tag dort. Ich habe mir eine Dauerkarte besorgt. Ich finde es einfach irre.«
»Was tun Sie denn da, wenn Sie schon alles kennen?«
»Alles kennt man nie!«, flüsterte er und hauchte Jane dabei mit seinem schlechten Atem an. »Man entdeckt immer wieder etwas Neues. Es sind vor allen Dingen die Kleinigkeiten, die von den meisten Besuchern übersehen werden.«
»Ach so.« Jane gab sich desinteressiert, hörte trotzdem aufmerksam zu. Sie wollte diesen Ritchie aus der Reserve locken. »Aber echte Hexen gibt es dort nicht - oder?«
Ritchie öffnete den Mund, um Atem zu holen. Fast schielend schaute er Jane Collins an. »Echte Hexen? Ich weiß nicht.« Er hob die Schultern. »Bisher habe ich noch keine gesehen. Das wird sich aber sicher ändern, wenn du erst mal da bist. Dann wird alles anders, das kannst du mir glauben, Baby.«
»Was soll denn da anders werden?«
»Keine Ahnung. Ich rechne damit, dass du die Geister der Vergangenheit wieder erweckst.
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