0637 - Nackt in die Hölle
überquerte die Straße, weil sie auf der anderen Seite ein Hinweisschild auf das Museum entdeckt hatte. Eine schmale Straße führte durch das flache Gelände. Bäume und Sträucher säumten sie.
Das Wetter hatte sich etwas gebessert. Zwar lag die Wolkenschicht noch immer über ihnen, doch sie war dünner und auch heller geworden. Man konnte dahinter die Sonne ahnen.
Ritchie holte Jane Collins schnell ein. »Du solltest mir nicht wegrennen, vielleicht brauchst du mich noch.«
»Wobei?«
»Ich habe dir schon mal gesagt, dass ich mich auskenne.«
Jane hob die Schultern und ging weiter. Ein Gefühl der Spannung hatte sich ihrer bemächtigt. Von ihrem Schwächeanfall war nichts mehr geblieben. Jetzt war sie darauf gefasst, das Museum zu betreten und sich dort umzusehen.
Immer wieder musste sie an das doppelte Gesicht denken, das ihr erschienen war.
Es waren tatsächlich zwei Gesichter in einem gewesen, übereinander geschoben, und beide Gesichter kannte sie nicht. Weder das alte noch das junge.
Aber sie hatten mit ihr zu tun, und sie ging davon aus, dass es die Person gewesen sein musste, deren Rufe sie im fernen London empfangen hatte.
Der Parkplatz breitete sich in einem lichten Waldstück aus, zu dem auch das Museum gehörte. Nur wenige Fahrzeuge standen in den markierten Parktaschen, dazwischen ein Getränkewagen, der Nachschub für den nahen Kiosk gebracht hatte.
»Willst du einen Schluck trinken?«
»Ja, ein Wasser.«
»Ich hole es dir.« Ritchie eilte davon. Mit zwei Dosen kam er zurück, riss die Laschen auf und drückte Jane eine in die Hand. Nach dem ersten Schluck stieß er auf und nickte.
»Was haben Sie?«, fragte Jane.
»Ist nicht viel los heute. Ich habe das Gefühl, als würden sich die Besucher bewusst zurückhalten, obwohl hier meist nur am Wochenende Hochbetrieb herrscht.«
»Warum denn?«
»Weil du kommst.«
Jane schloss die Augen, wandte sich ab und schüttelte den Kopf. Ritchie ging ihr auf den Wecker, doch es war unmöglich, ihn abzuschütteln.
Mit der nächsten Frage überraschte er sie. »Warum schleppst du eigentlich eine Pistole mit dir herum?«
»Tue ich das?«
»Klar, ich konnte es sehen, als ich deine Handtasche öffnete. Das war im Bus, als du umgekippt warst. Klein aber fein, die Kanone. Nur lass dir gesagt sein, dass du damit nichts ausrichten kannst.«
»Gegen wen?«
»Gegen die Hölle und so weiter.«
Jane schüttelte den Kopf. »Ritchie, irgendwie reden Sie Unsinn. Sie sollten sich mal mit anderen Dingen beschäftigen, glauben Sie mir.«
»Ich bin aber Fachmann für Hexen.«
Jane leerte die Dose und zerquetschte sie. »Das ist mir egal. Jetzt möchte ich mir das Museum ansehen.«
»Gern, gern…«
Sie gingen am Kiosk vorbei, verfolgt von den Blicken des neugierigen Verkäufers, der einen mit Ansichtskarten gefüllten Ständer vor die Bude schob.
Eine alte Frau hockte in der Bude und las in einem Liebesroman. Als sie Ritchie sah, schüttelte sie den Kopf. »Du schon wieder.«
»Hast du mich vermisst?«
»Kaum.«
»Heute brauche ich zwei Karten.«
»Sollst du haben, Ritchie. Aber gib Acht. Irgendwann wird dich noch mal der Teufel holen. Du weißt doch, wo die Hexen sich aufhalten, ist auch der Gehörnte nicht fern.«
»Auf den warte ich doch, Elfie.«
»Dann bestell ihm einen schönen Gruß.« Er nahm die beiden Karten entgegen. Sie waren schon abgerissen.
Elfie streckte ihren Kopf aus der Öffnung und schaute Jane an. Ihre wässrigen Augen sahen aus wie mit Tränen gefüllt, als sie den Blick über Janes Gestalt gleiten ließ.
»Ist was?«
»Nein, Mädchen, nein.« Elfie kicherte und zog sich wieder zurück.
»Ist die immer so komisch?«, fragte Jane.
»Manchmal.«
»Aber die hältst du nicht für eine Hexe - oder?«
»Das kann man nie so genau sagen.«
Jane schüttelte den Kopf. Diesem Ritchie war wirklich nicht zu helfen. Ihre Gedanken wurden abgelenkt, weil sie das Gelände des Museums betreten hatten. Das Haus selbst, in dem noch Ausstellungsstücke zu sehen waren, lag links von ihnen. Ein mittlerweile dunkel gefärbter Backsteinbau mit kleinen Fenstern.
Jane suchte nach einem Vergleich. Nein, wie ein Friedhof sah das Gelände nicht aus, obwohl wegen der Hecken eine gewisse Ähnlichkeit nicht zu leugnen war. Ritchie blieb vor einer Hecke stehen.
»Was soll das?«
»Ah«, staunte er lachend. »Kannst du dich nicht daran erinnern, Hexe, kannst du es nicht?«
»Nein, zum Henker!« Sie konnte laut sprechen. Außer ihnen befand sich sichtbar
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