0638 - Geliebter Vampir
ich es endlich. Du bist wirklich ein Vampir.«
Er fuhr herum und lächelte.
»Du hast es gemerkt?«
Seine Zähne waren völlig normal. Keine verlängerten Augenzähne, die Adern öffneten, damit der Vampir trinken konnte.
»Deinen Biß? Nein«, sagte sie, während sie sich wieder auf der Bettkante niederließ. Sie griff nach dem Glas, das Morano vorhin - vor einer kleinen Ewigkeit unendlichen Vergnügens - ans Bett gebracht hatte. Langsam nahm sie einen kleinen Schluck Wein.
»Wie hast du es dann bemerkt? Du dürftest die Einstichmale gar nicht fühlen können«, sagte er.
Nicole lehnte sich zurück, streckte sich wieder auf dem Laken aus.
»Du unterschätzt mich, Tan«, sagte sie. »Und ich glaube, du kennst mich nicht richtig, du weißt nichts von mir.«
Seine Augen wurden schmal.
»Das mag sein«, gestand er langsam. »Wir sollten einander besser kennenlernen.«
»Deshalb«, sagte Nicole und räkelte sich verführerisch, »bin ich doch hier!«
Während sie seinen Blick genoß, mit dem er sie streichelte, dachte sie daran, wie es begonnen hatte…
***
Professor Bellemont von der Sorbonne, der vielleicht berühmtesten Universität des westlichen Europa, hatte sich per E-mail, Fax und dann auch noch einmal telefonisch bei Professor Zamorra gemeldet, um seinen Kollegen nicht nur noch einmal an dessen bevorstehende Gastvorlesung zu erinnern, sondern auch die Thematik abzusprechen, die nahtlos an ein Seminar anschließen sollte, das Bellemont abhielt.
Zamorra und Bellemont kannten sich seit langem; ihre Ansichten über Parapsychologie waren konträr, aber gerade das machte den Reiz dieser Veranstaltungskombination aus, für die Zamorra sofort zugesagt hatte, um später nicht mehr darüber nachzudenken, weil das alles ja noch Monate in der Zukunft lag. Aber dann waren die Monate dahingegangen und die Zeit bis zum Vorlesungstermin immer mehr geschrumpft, nur hatte Zamorra seine Zusage längst vergessen gehabt.
Nicole Duval, seine Sekretärin, Lebensgefährtin und Kampfpartnerin, hatte ihn zwischendurch zweimal daran erinnert und war danach davon ausgegangen, daß Zamorra den Termin entweder behielt oder schlicht und ergreifend doch wieder absagte.
Zamorra sagte nicht ab.
Zamorra checkte nur noch einmal kurz durch, ob der Termin ihm überhaupt noch in den Kram paßte, und bestätigte dann.
Er brauchte sich nicht vorzubereiten.
Seine Gastvorlesung konnte er praktisch aus dem Stegreif halten. Er war in dem geforderten Themenbereich absolut firm und hatte auch noch nie viel davon gehalten, sich mit jeder Menge Papierkrieg aufzuhalten. Eine knapp gefaßte Bücherliste, die die für diesen Fall wichtigsten Standardwerke umfaßte, war schnell erstellt und konnte als Kopienstapel im Hörsaal verteilt werden; auf der Liste fanden sich dann auch noch ein paar Hinweise auf Fallbeispiele.
Damit war für Zamorra die Sache schon beinahe erledigt.
Nur dem Zusammentreffen mit Bellemont sah er, wie stets, mit etwas gemischten Gefühlen entgegen.
Sie schätzten einander als Fachleute, aber über das Fachgebiet selbst gingen ihre Ansichten weit auseinander. Bellemont war Psychologe, vom Randgebiet Parapsychologie hielt er nicht besonders viel. Zamorra hatte schon vor langer Zeit seine Festanstellung an der Sorbonne aufgegeben und hielt nur noch als Privatgelehrter seine Fachvorträge an unzähligen Hochschulen weltweit; Bellemont war an der Sorbonne geblieben, hatte den Fachbereich Psychologie insgesamt fünf Jahre lang als Dekan geleitet und hielt inzwischen auch nicht mehr sehr viel davon, sich mit Arbeit den ganzen Tag zu versauen.
Vor ein paar Jahren war er noch reger gewesen. Inzwischen hielt er keine Vorlesungen mehr, sondern machte nur noch Seminare, die er so aufzog, daß der größte Teil der Arbeit bei Assistenten und bei seinen Studenten lag, die selbständig ihre Wissensgebiete erarbeiten sollten. Auch die Zahl der Prüfungen hatte er drastisch reduziert.
Sein Gehalt holte er trotzdem ohne Gewissensbisse jeden Monat vom Konto.
»Ich bin mal gespannt, wie lange sie ihm das noch durchgehen lassen«, brummte Zamorra, während er und Nicole in den Fitneßräumen von Château Montagne überschüssige Kräfte an den diversen Geräten abreagierten. Er grinste kurz und fügte hinzu: »Und ich werde mit Vergnügen zusehen, wie sie ihn feuern, diesen alten Pharisäer…«
»Den feuert keiner, trotz aller Sparmaßnahmen«, behauptete Nicole. »Dafür hat er früher zuviel geleistet, dafür sitzt er zu fest im
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